Montag, 29.06.2015

Seit Ende April haben wir knapp 4.000 Seemeilen zurückgelegt, uns von der Karibik verabschiedet, den Atlantik zum zweiten Mal überquert, Bermuda, die Azoren und schließlich die Isles of Scilly kennengelernt und sind jetzt in Falmouth in Südwestengland. Wenn ich die letzten zwei Monate Revue passieren lasse, haben wir in relativ kurzer Zeit viele Seemeilen zurückgelegt, viele schöne Ziele angesteuert, viele interessante und nette Bekanntschaften gemacht, einfach unheimlich viel erlebt. Wind und Wetter bestimmen unser Reisetempo und auch die Ziele. Crews, die eher als wir von den Azoren aufgebrochen sind, hatten mit sehr viel Wind und Regen zu tun. Crews, die später als wir die Azoren verlassen haben, sind entweder bald wieder umgedreht oder haben ihr Ziel von England nach Spanien "verlegt", weil herannahende Tiefs ihnen das Leben schwermachen wollen.

Wir können also erst einmal tief durchatmen, ein wenig zur Ruhe kommen und ein paar Tage hier in Falmouth verbringen. Wobei es mit dem zur Ruhe kommen gar nicht so leicht ist. Den gestrigen Tag haben wir größtenteils mal wieder dem Thema Wäsche widmen müssen. Wobei die großen Profiwaschmaschinen und Trockner hier in der Marina ganz Ganze sehr erleichtert haben.

Als wir diesen Punkt erledigt hatten, haben wir uns auf den 30 minütigen Fußweg in die Marina Port Pendennis gemacht. Dort liegen Klaus und Bernd mit der "Lubini" fast direkt in der Innenstadt. Wir sind mit den beiden verabredet. Es ist Bernds Abschiedsabend, er fliegt zurück nach Deutschland. Wir Vier verbringen einen letzten schönen gemeinsamen Abend.  

Heute stand dann ein Ausflug ins Umland auf dem Programm. Klaus holt uns mit einem Mietwagen ab, und wir fahren nach Land's End - dem westlichsten Zipfel Englands. Die gut eine Stunde lange Autofahrt geht durch die saftigen grünen Hügel Cornwalls. Die Steilküste von Land's End ist beeindruckend und dieser westlichste Punkt touristisch natürlich voll erschlossen. Ziemlich rummelig das Ganze, viele Reisebusse stehen auf dem großen Parkplatz.

Danach geht es weiter nach Lizard Point - dem südlichsten Zipfel Englands. Die Steilküste ist auch hier sehr beeindruckend, allerdings geht es hier etwas ruhiger zu. Wir unternehmen einen kurzen Spaziergang und fahren dann zurück nach Falmouth. Hier gibt es viele hübsche Geschäfte und gute Restaurants. Heute steht der britische Klassiker Fish & Chips, also Backfisch und Pommes Frites, auf dem Speisezettel. Zwar erwartungsgemäß etwas fettig, aber trotzdem ganz lecker. Danach sitzen wir noch bei Klaus im Cockpit und lassen den Tag allmählich ausklingen, bevor Ingo und ich uns wieder auf den Fußweg zurück zur Amazone machen.

 

Hübsches Fischerboot:

 

Genau hier ist er - der westlichste Punkt Englands:

 

"Erstes und letztes Lokal in England" in Land's End:

 

Steilküste bei Land's End:

 

"Der südlichste Souvenir-Shop" in Lizard Point:

 

Steilküste bei Lizard Point:

 

Sonnabend, 27.06.2015

Um 5.30 Uhr klingelte heute Morgen der Wecker. Kann das denn wahr sein? Schon wieder nicht ausschlafen? Und wer steckt dahinter? Die Tide. Jawohl, wir haben es seit unserer Ankunft auf den Isles of Scilly wieder mit Hoch- und Niedrigwasser zu tun. Und das nicht zu knapp. Zwischen vier und fünf Meter Tidenhub gibt es an Englands Südküste und damit auch entsprechend starke Strömungen. Wir wollen heute nach Falmouth segeln und müssen dabei auch den Tidenstrom berücksichtigen. Außerdem wollen wir nicht bei Dunkelheit dort ankommen, und so müssen wir eben sehr früh aufstehen. Ein ordentliches Frühstück soll es vor dem Ablegen auch noch geben und so ist die Nacht um 5.30 Uhr abrupt zu Ende.

Gegen 7.00 Uhr lösten wir unsere Leine von der Mooringboje. Bald darauf konnten wir das Großsegel setzen und die Genua ausrollen. Es wurde ein herrlicher Segeltag bei Sonnenschein und drei bis vier Beaufort halbem bis raumem Wind und nur wenig Seegang. Der Schiffsverkehr hielt sich in Grenzen, und so zuckelte die Amazone gemütlich Richtung Englands Südwestküste. Gegen Mittag zeichnete sich die Steilküste von Cornwall, diesem bezaubernden "Rosamunde-Pilcher-Land", am Horizont ab.

Der Wind nahm am frühen Abend immer mehr ab, und so tuckerten wir unter Motor zwischen den grünen Hügeln und der Steilküste in die Flussmündung nach Falmouth. Im "Visitors Yacht Haven" waren die wenigen Boxen schon belegt und im Päckchen liegen wollten wir auch nicht. Wir hatten schon so etwas geahnt und fuhren etwa 1,5 Seemeilen weiter den Pennryn River hinauf zur Falmouth Marina. Links und rechts vom Fahrwasser ankerten unzählige große und kleine Boote.

Nach 64 Seemeilen machten wir gegen 19.45 Uhr in der Falmouth Marina erst einmal am Tankstellenponton fest und suchten den Hafenmeister. Auf unserer Suche trafen wir ein nettes Paar, dass gerade sein Boot zum Auslaufen fertigmachte. Die beiden waren sehr hilfsbereit und riefen im Marinabüro an. Während wir auf den Hafenmeister warteten, wollten die beiden von uns wissen, wo wir herkämen. Dass wir Deutsche sind, hatten sie schon bemerkt und lobten unser "sehr gutes Englisch". Das war ebenso höflich wie stark übertrieben. Als wir erzählten, dass wir heute von den Isles of Scilly kommen, sagte Judith, so heißt die Dame, dass sie dort noch nie gewesen sei und fragte, ob es uns dort gefallen habe. Das war irgendwie merkwürdig - als Fremde einer Einheimischen zu erzählen, wie es auf den Isles of Scilly ist.

Schließlich kam der Marina-Mitarbeiter und wies uns eine Box zu. Jetzt liegt die Amazone seit Wochen erstmals völlig ruhig, wie ein Brett im Wasser. Die Anmeldeformalitäten erledigen wir morgen früh, wenn das Büro wieder besetzt ist.

 

 

Freitag, 26.06.2015

 

Als ich es mir gestern gerade im Cockpit in der Sonne gemütlich gemacht hatte und so vor mich hin döste, rief plötzlich jemand "Amazone!". Die "Lubini" war angekommen und Klaus und Bernd haben eine Mooring gleich in unserer Nähe gefunden. Später unternahmen wir dann gemeinsam einen ersten Landausflug und stellten fest, dass es uns hier gut gefällt. Hugh Town, die Hauptstadt von St. Mary's, ist ein schöner Ort mit Supermarkt, Bank, Post, Restaurants und vielen kleinen hübschen Läden.

Geschlafen haben wir wie die Murmeltiere - herrlich! Nach einem gemütlichen Frühstück haben wir dann gemeinsam mit Klaus und Bernd einen sehr langen Spaziergang über die schöne Insel unternommen. St. Mary's ist die größte der fünf bewohnten Inseln, die die Isles of Scilly bilden. Die anderen vier Inseln sind St. Martin's, St. Agnes, Bryher und Tresco. St. Mary's kann mit weißen Stränden, bizarren Felsen und wunderschön blühenden Blumen aufwarten. Die Bienen summen, es duftet herrlich, und wir genießen die Ausblicke und das viele Grün. Ein richtig schöner Sommertag bei etwa 18° Lufttemperatur. Ein idyllisch gelegenes Café mit tollem Ausblick auf eine Bucht haben wir auch noch gefunden, so dass wir gerne mal eine Pause einlegten. Am frühen Abend waren wir zurück in Hugh Town. Einen Tisch in einem Restaurant am Hafen hatten wir am Vormittag schon reserviert. Das ist auch erforderlich, denn die Lokale sind sehr gut besucht und manche für Tage im voraus ausgebucht.

Wir möchten nicht vergessen, uns ganz herzlich für die vielen E-Mails zu bedanken, die uns nach unserer glücklichen Ankunft erreicht haben! Unser nächster Hafen wird Falmouth sein, und dort wollen wir uns Zeit nehmen, die Mails individuell zu beantworten.

 

 Hauptstraße in Hugh Town - sogar Palmen gibt es hier:

 

 Blick auf die Nachbarinseln:

 

 

Blick auf die Bucht St. Mary's Pool - in dem Gewusel liegt auch die Amazone:

 

 

 

Donnerstag, 25.06.2015

Nach elf Tagen und 1.217 Seemeilen sind wir heute Morgen gegen 10.00 Uhr auf der zu den Isles of Scilly gehörenden Insel St. Mary's angekommen. Der Wind hat durchgehalten, mit fünf Knoten Fahrt preschte die Amazone durch die Nacht und in den neuen Tag. Ein grandioser Abschluss dieses außergewöhnlichen Törns. In der Bucht St. Mary's Pool schnappten wir uns eine der Mooringbojen und dümpeln jetzt neben einigen anderen Booten friedlich in der Sonne. Es ist geschafft! Die zweite Atlantiküberquerung haben wir gemeistert.

Zunächst klaren wir ein bisschen das Boot auf, kommen dann allmählich zur Ruhe. Die Amazone ist an der Mooring fest vertäut, aber bis wir wirklich angekommen sind, wird es noch etwas dauern. Wir zischen im Cockpit ein Bier und schauen uns die Nachbarschaft an. Und plötzlich stellen wir fest, dass die Amazone "gewachsen" ist. Im letzten halben Jahr war sie in den Marinas und Ankerbuchten meistens eines der kleinsten Boote. Jetzt wiegt sie sich sanft neben Booten, von denen viele kleiner sind als sie. Für uns ist die gute Amazone sowieso die "Größte", und wie groß die anderen Yachten sind, ist für uns nicht wichtig. Es wird  aber deutlich, dass hier keine großen Charter-Katamarane und nur wenige Langfahrer unterwegs sind, eher Wochenend-Segler. So wie wir es bald auch wieder sein werden.

Seit wir uns am 30.04. von St. Martin in der Karibik aus auf den Heimweg gemacht haben, haben wir 3.900 Seemeilen zurückgelegt - der lange Rückweg. Enormen Respekt hatten wir vor diesem Abschnitt der Reise. Obwohl wir die erste Atlantiküberquerung gut gemeistert haben, war mir vor der zweiten Überquerung doch ein wenig mulmig. Wie launisch würde der Atlantik sein und wären wir den Anstrengungen gewachsen? Auf dem Törn von den Azoren nach England segelt man in die Westwindzone. Sie ist die Autobahn der Tiefdruckgebiete. Aber ein stabiles Hoch hat für uns die Tiefs in Schach gehalten, was allerdings mit der langen Schwachwindphase einher ging. Wie immer konnten wir uns auf den guten Service von "Wetterwelt" verlassen und bekamen regelmäßig zuverlässig die Wind- und Wettervorhersage für das jeweilige Gebiet übermittelt. Allerdings waren häufig ein bis zwei Windstärken mehr vorhergesagt, als es dann tatsächlich gab. Na gut, immer noch besser, als zu viel Wind.

Alles ist gut verlaufen, abwechslungsreiche elf Tage liegen hinter uns. Jetzt erst einmal eine Mütze voll Schlaf und dann mal an Land schauen. Gerade kam ein freundlicher Mitarbeiter der Hafenbehörde mit seinem kleinen Boot längsseits. Er heißt uns herzlich willkommen, fragt höflich, ob wir wohlauf sind und bittet uns dann zur Kasse. 18,50 Englische Pfund sind für die Mooringboje pro Nacht fällig. Bucht man von vornherein drei Nächte, ist die vierte umsonst. Wir können uns im Moment nur eine Nacht leisten, mehr Pfund haben wir von unserem Besuch auf Guernsey im letzten Jahr nicht an Bord. Macht aber nichts, im Ort gibt es einen Bankautomaten. So gesehen, haben wir in den letzten Tagen auf See aber mächtig Geld gespart!

 

Start in Horta - noch können wir mit dem Gennaker segeln:

 

Ein paar Tage später nutzt der Skipper das ruhige Wetter, um von außen am Unterwasserschiff zu arbeiten:

 

Und noch ein paar Tage später ist wieder Flaggenparade - die nächste Gastlandflagge ist an der Reihe:

 

Wir passieren die ersten bizarren Felsen der Isles of Scilly:

 

Barfußroute ade - jetzt wird wieder in festem Schuhwerk gesegelt:

 

Der geschäftige Hafen von St. Mary's:

 

Die kleine Gummiwurst kommt ganz groß als Taxi raus - Ingo mit Bernd und Klaus von der "Lubini":

 

Ja, bitte - und immer wieder:

Mittwoch, 24.06.2015, 12.00 Uhr

Position 49° 09,0' N; 8° 54,6' W; Etmal: 138 Seemeilen; Rest: 107 Seemeilen

Mit diesem Etmal sind wir endlich mal zufrieden! Und vor allem ist jede Seemeile "ersegelt", der Motor hat seit zwei Tagen Pause. Der Himmel ist zwar heute bedeckt, und die Sonne lugt nur hin und wieder zwischen den Wolken hervor, aber es ist immer noch Segeln vom Feinsten! Weiterhin pflügt die Amazone bei vier Beaufort halbem Wind mit gut sechs Knoten Fahrt durch den nur mäßig bewegten Nordatlantik. Seglerherz, was willst du mehr? Schon fast vergessen sind die zähen Tage in der Schwachwindphase. Inzwischen zeigt unser Echolot auch wieder die richtige Wassertiefe an. Mit tausenden Metern Wassertiefe war das Gerät verständlicherweise überfordert. Während der letzten Nacht haben wir den Festlandsockel erreicht. Die Wassertiefe fiel über viele Seemeilen kontinuierlich von 5.000 auf 200 Meter. An der Kante des Sockels, wo sie letztlich von 1.000 auf 200 Meter fiel, waren einige Fischerboote auf Beutezug. Da wir ihnen ausweichpflichtig sind und sie keinen klaren Kurs fahren, sondern mal in die eine und dann wieder in die andere Richtung unterwegs sind, war während der letzten Nachtwache Aufmerksamkeit und auch mal eine Kursänderung erforderlich.

Sehr erleichtert wird das alles durch die Informationen, die wir aus den AIS-Signalen der Schiffe entnehmen können. So lässt sich ablesen, mit welcher Geschwindigkeit das Schiff in welche Richtung fährt und wann sich in welcher Distanz der Kurs der anderen Schiffe mit dem der Amazone kreuzen würde. Dumm nur, wenn das Gerät des sich nähernden Schiffes defekt ist und nicht durchgehend sendet. Während Ingos Nachtwache kam uns so ein Schiff an Backbord entgegen, das aufgrund der fehlenden AIS-Daten nicht gleich als knapp 200 Meter langer Tanker zu erkennen war. Schließlich kreuzte er plötzlich zwei Seemeilen vor unserem Bug unseren Kurs und passierte uns in gebührendem Abstand an Steuerbord und fädelte sich wieder hinter uns in unser altes Fahrwasser ein. Merkwürdig, richtig wäre es gewesen, sich jeweils mit der Backbordseite zu begegnen. Später hatte dann auch Bernd auf der "Lubnini" seinen Spaß mit dem "getarnten" Schiff.

Im Laufe des morgigen Vormittags sollten wir auf den Scillys ankommen. Juhu! Nur noch eine Nachtwache!

Dienstag, 23.06.2015, 12.00 Uhr

Position 48° 33,8' N; 12° 16,1' W; Etmal: 111 Seemeilen; Rest: 240 Seemeilen

111 Seemeilen in 24 Stunden zurückgelegt - das ist doch schon gar nicht so schlecht! Seit gestern Abend hat der Volvo Pause und die Segel können endlich wieder die Hauptrolle übernehmen. Die Sonne scheint, die Amazone marschiert unter Großsegel und Genua bei vier Beaufort mit gut sechs Knoten am Wind unserem Ziel entgegen. Herrliches Segeln! Ein Kompliment gab es heute Morgen auch schon. Klaus, der mit der "Lubini" zurzeit etwa sechs Seemeilen hinter uns segelt, hat die Amazone ein "Rennboot" genannt. Das geht runter wie Öl. Ja, die Lady ist flott unterwegs und macht es etwaigen Verfolgern nicht leicht.

Außer mit der französischen Segelyacht "Tamarin" gab es gestern auch noch Funkkontakt mit der "Liverpool Express". Der 281 Meter lange Frachter ist mit 18 Knoten Fahrt auf seinem Weg von Südamerika nach Hamburg und überholt uns mit etwa fünf Seemeilen Abstand an Backbord. Im schönsten Hamburgisch plaudert ein Besatzungsmitglied mit Klaus und gibt auch die aktuelle Wind- und Wettervorhersage weiter. Sehr nett und aufschlussreich. Seine Wetterinformationen stimmen mit den unsrigen überein.

Genau heute vor sechs Monaten sind wir in Tobago, unserer ersten Insel in der Karibik, angekommen. Sechs unglaubliche Monate, die so viele schöne Eindrücke, besondere Momente und Emotionen mit sich gebracht haben, die ich wie einen Schatz in mir trage. Einzigartig und unbezahlbar.

Montag, 22.06.2015, 12.00 Uhr

Position 47° 59,2' N; 14° 53,8' W; Etmal: 105 Seemeilen; Rest: 353 Seemeilen

Das Beste an dem mageren Etmal ist, dass wir in den letzten 24 Stunden nur sieben Stunden mit Motor gefahren sind. Erst seit heute Morgen um fünf Uhr brummt der Volvo wieder und sorgt für unser Fortkommen. Laut der gestrigen Wind- und Wettervorhersage werden wir auch in den nächsten Tagen mal mit schwachem bis mäßigem (drei bis vier Beaufort) und zeitweise gar keinem Wind zu rechnen haben.

Theoretisch haben wir ausreichend Diesel an Bord, um unter Motor nach Falmouth zu fahren. Wir haben uns aber entschieden, die Isles of Scilly anzulaufen. Am Donnerstag sollten wir dort ankommen - und ganz ehrlich: das ist auch gut so. Wir freuen uns darauf, wieder ausreichend Schlaf an einem Stück zu bekommen, uns die Beine vertreten zu können und diese Inseln kennenzulernen.

Das "besondere Ereignis" des heutigen Tages hat sich gerade erst vor einer guten Stunde zugetragen: Ingo hatte Freiwache und schlummerte friedlich in seiner Koje, und ich habe gerade den Teig für das Brot geknetet. Von der Pantry aus habe ich dabei immer mal wieder einen Blick auf das Display des Plotters draußen geworfen, um zu sehen, ob sich ein Fahrzeug nähert. War aber alles okay. Außer der "Lubini", deren AIS-Symbol wir seit einiger Zeit auf dem Bildschirm haben, war niemand zu sehen. Ab und zu steige ich auch die Stufen des Niedergangs hoch, um mit einem Rund-um-Blick festzustellen, ob alles in Ordnung ist.

So war ich doch etwas überrascht, als jemand über UKW-Funk die Amazone rief. Ach Du Schreck, hatte ich etwa jemanden übersehen, der jetzt auf sich aufmerksam macht? Müssen wir jemandem ausweichen? Nein, alles okay. Es war die französische Segelyacht "Tamarin", die einige Seemeilen hinter uns fährt und deren Skipper zum Plaudern aufgelegt war. Sie empfängt zwar die AIS-Signale der anderen Schiffe, sendet aber kein eigenes Signal aus, und so hatte ich sie "nicht auf dem Schirm". Auf unserer Reise habe ich die Erfahrung gemacht, dass ein Franzose, der englisch spricht, ungefähr so selten ist, wie ein Hund der miaut. Aber dieser nette Segler war eine Ausnahme und die Unterhaltung eine schöne Abwechslung. Vor allem, weil wir festgestellt haben, dass wir gemeinsame Bekannte haben - Katja und Dietmar von der "Summer".

Sonntag, 21.06.2015, 12.00 Uhr

Position 47° 29,9' N; 17° 23,7' W; Etmal: 100 Seemeilen; Rest: 533 Seemeilen

Da passiert eigentlich den ganzen Tag nichts Aufregendes und dann überschlagen sich die Ereignisse geradezu: War das eine Überraschung, als gestern am späten Nachmittag plötzlich die Amazone von der "Lubini" über UKW-Funk gerufen wurde! In den letzten Tagen haben wir per SMS über das Satellitentelefon einmal täglich unsere Positionen ausgetauscht. Daher wussten wir, dass die "Lubini" aufholt und alsbald in die Reichweite des Funks kommen musste. Ach, war das schön, hier draußen eine bekannte Stimme zu hören! Ingo und Klaus haben sich über die Wind- und Wettersituation und die verschiedenen Vorhersagen ausgetauscht. Dass Segler beim Start auf den Azoren Richtung Europa mit wenig bis gar keinem Wind rechnen müssen, aber diese ausgedehnte Flaute ganz ungewöhnlich ist, darin waren sie sich einig.

So plauderten sie miteinander, als ich aus der Pantry heraus mitbekam, dass sich die Angel bewegte. Als Ingo zur Angel blickte, erschrak er. Wir hatten einen Seevogel gefangen und zogen ihn hinter uns her. Wie schrecklich! Das Gespräch mit Klaus hat Ingo schnell beendet, Gas weggenommen und die Angel vorsichtig eingeholt. Als der große Vogel (er hatte eine geschätzte Flügelspannweite von etwa 1,50 Meter) schließlich zum Greifen nahe war, sahen wir, dass er sich - Glück im Unglück - "nur" in der Angelleine verfangen hatte und nicht - wie zunächst von uns befürchtet - den Köder geschluckt hatte. Der arme Vogel flatterte heftig, und wir schnitten zunächst den Köder ab. Dann gelang es Ingo recht schnell, die Angelleine aus den Federn der Schwinge herauszuholen. Der Vogel flatterte davon, landete im Wasser, schlug einige Male mit den Flügeln und sortierte sich erst einmal.

Ein zweiter Vogel war die ganze Zeit in der Nähe geblieben und hatte um uns gekreist. Jetzt landete auch er auf dem Wasser und blieb ganz dicht bei seinem Gefährten oder seiner Gefährtin. Das fand ich unglaublich rührend. Wir wussten nicht, ob der Vogel sich vielleicht verletzt hatte und eingehen würde. So war unsere Stimmung sehr gedrückt, und wir beschlossen nicht mehr zu angeln. Die beiden Vögel blieben auf dem Wasser schwimmend achteraus, und wir verloren sie alsbald aus den Augen. Kurze Zeit später sahen wir sie dann: Die beiden Vögel flogen Seite an Seite über die Amazone hinweg, drehten eine Runde um uns und verschwanden dann am Horizont. Oh, wie erleichtert wir waren!

Nachdem der Motor sagenhafte, unglaubliche zweieinhalb Tage fast ununterbrochen gelaufen hat, konnten wir ihn heute Morgen um 10 Uhr abstellen. Endlich, endlich weht ein laues Lüftchen von etwa drei Beaufort halbem Wind! Die Strömung schiebt auch noch mit, so dass wir etwa vier Knoten Fahrt machen. Ach, ist das herrlich! Diese Ruhe im Boot und dazu der strahlende Sonnenschein! Wäre schön, wenn es so - oder noch ein bisschen flotter - weitergehen könnte.

Wir überlegen, eventuell unser Ziel zu ändern. Statt gleich nach Falmouth zu segeln, könnten wir auch die Isles of Scilly anlaufen. Die Inselgruppe besteht aus 48 Inseln, wovon nur sechs bewohnt sind. Sie sind ein reizvolles Ziel, liegen sozusagen auf unserem Weg, und unser Törn würde sich um 60 Seemeilen verkürzen. Unsere endgültige Entscheidung hängt aber wie immer von der Wind- und Wettervorhersage ab.

Sonnabend, 20.06.2015, 12.00 Uhr

Position 46° 15,7' N; 19° 1,8' W; Etmal: 100 Seemeilen; Rest: 632 Seemeilen

Uff, das war knapp - gerade nochmal ein dreistelliges Etmal hinbekommen! Leider nicht unter Segeln, sondern immer noch mit der freundlichen Unterstützung unseres Diesels.

Die Auswertung der Wind- und Wettervorhersage hat uns gestern etwas ratlos gemacht. Das böse Tief im Norden ist gar nicht mehr so böse und die Flaute erstreckt sich jetzt über ein noch größeres Gebiet, als zunächst angekündigt. Wir wechseln also wieder unsere Strategie und ändern unseren Kurs erneut nördlicher. Wenn überhaupt haben wir dort die größten Chancen, auf Wind zu treffen. Immerhin lacht die Sonne vom strahlend blauen Himmel, und die kurzen Hosen kommen wieder zum Einsatz.

Gestern Nachmittag hat Ingo das ruhige Wetter dazu genutzt, um ein paar Punkte auf unserer ewigen Liste der zu erledigenden Dinge abzuhaken. Seit einiger Zeit ist nämlich der Ablauf des Ankerkastens verstopft, das Sieb des Kühlwassereinlasses soll kontrolliert und gereinigt werden, außerdem der Wassereinlass der Antriebswelle. Diese Arbeiten können nur von außen erledigt werden. Also zwängt Ingo sich in seinen Neopren-Anzug, legt einen Bleigürtel, Schnorchel und Taucherbrille an und legt allerlei Werkzeug bereit. Der Motor schweigt natürlich, die Amazone wiegt sich lautlos in der Atlantikdünung und tapfer steigt Ingo in das 5.000 Meter tiefe Wasser. Zur Sicherheit schwimmt an einer langen Leine ein Fender achteraus. Daran könnte Ingo im Fall der Fälle Halt finden und sich wieder ans Boot ziehen. Das ist aber nicht nötig - es klappt alles wunderbar. Am Ankerkastenabfluss hatten sich Seepocken breitgemacht und wurden entfernt, der Kühlwassereinlass ist gereinigt und der Wassereinlass der Antriebswelle ist auch in Ordnung.

Aber nicht nur der Kapitän war fleißig. Unsere "Einraumwohnung" bedurfte mal wieder einer gründlichen Reinigung. Es wurde gelüftet, gewischt, umgeräumt und geputzt, bis alles wieder blitzte.

Wir wundern uns immer wieder, wie schnell so ein Tag vorüber ist. Und zack - ist heute auch schon Bergfest! Die Hälfte der Strecke ist geschafft.

Freitag, 19.06.2015, 12.00 Uhr

Position 45° 09,3' N; 20° 48,8' W; Etmal: 102 Seemeilen; Rest: 713 Seemeilen

Gestern Abend haben wir das Schwachwind-, bzw. Flautengebiet erreicht. Seit 18.00 Uhr brummt der Volvo vor sich hin und schiebt uns mit 4,5 Knoten Fahrt durch das fast spiegelglatte Wasser. So wird es wohl noch einige Zeit weitergehen, bis wir wieder auf Wind hoffen können. Segeln wäre natürlich um ein Vielfaches schöner, aber wenn wir Starkwind - vielleicht sogar Sturm - oder Flaute zur Auswahl haben, nehmen wir doch lieber die Flaute. Hoffentlich hält unser uralter Steuerarm der Selbststeueranlage durch! Durch den Ausfall des neuen Armes, ist er jetzt unser einziger. Unser drittes Besatzungsmitglied sozusagen. Wenn wir segeln, steuert Peter. Aber wenn wir bei dieser Flautenschieberei selber steuern müssten, wäre es mit dem bequemen Leben an Bord vorbei. Daran will ich gar nicht denken. Bitte, lieber Steuerarm, halte durch!

Wie flüssiges Blei erstreckt sich der Atlantik bis zum Horizont. Nur hier und da kräuselt sich die Oberfläche ein wenig. Laut Wettervorhersage soll es hier in etwa drei Tagen ganz anders aussehen. Bis zu 30 Knoten Wind (sieben Beaufort) sind für dieses Gebiet, in dem wir uns gerade befinden, vorausgesagt.

Was hat sich sonst noch in den letzten 24 Stunden zugetragen? Nicht viel. Auf diesem Törn hat sich die Bordroutine schnell eingestellt. Aufgrund des ruhigen Wetters können wir schlafen (wenn auch mit Unterbrechungen durch den Wachrhythmus), kochen, backen, lesen und auch duschen. Dem Solardusch-Sack müssen wir zwar mit auf dem Herd erhitztem Wasser nachhelfen, aber so eine Dusche ist doch sehr erfrischend. Jetzt tankt Ingo gerade Diesel aus den Kanistern nach, gleich bereite ich das Mittagessen zu. Gestern gab es einen Kartoffelauflauf mit Gemüse, heute steht Spaghetti mit Bolognese-Sauce auf der Speisekarte. Die frischen Vorräte gehen schon wieder zur Neige. Äpfel und Grapefruits sind noch da, auch Kartoffeln, Zwiebeln und Möhren. Ich habe auch schon zwei Brote gebacken, so dass es zum Frühstück warmes Weißbrot gab.

Heute Morgen war es zunächst sehr diesig und es nieselte ein bisschen. Inzwischen hat es aufgeklart und die Sonne lugt zwischen den Wolken hervor. Bei 17° Lufttemperatur bleiben die T-Shirts und Shorts im Schrank, lange Hosen, Pullover, Jacke und Schuhe sind angesagt. Immerhin regnet es nicht.

Donnerstag, 18.06.2015, 12.00 Uhr

Position 44° 24,7' N; 22° 58,2' W; Etmal: 115 Seemeilen; Rest: 815 Seemeilen

Nachdem wir die neue Wind- und Wettervorhersage ausgewertet hatten, haben wir unseren Kurs etwas geändert und segeln jetzt nicht mehr nördlich, sondern östlicher, direkten Kurs nach Falmouth. Es bildet sich nämlich im Norden ein Tief und bringt bis zu 40 Knoten Wind (acht Beaufort) mit. Es verdrängt das von uns aus nördliche Hoch. Diesem Tief wollen wir nicht zu nahe zu kommen. Damit laufen wir zwar in ein Gebiet mit schwachem Wind, aber sicher ist sicher.

In den letzten 24 Stunden lief der Motor nur eine Stunde, als nämlich in der Nacht der Wind kurz einschlief. Ansonsten segeln wir mit vollem Groß und ganz ausgerollter Genua bei etwa drei Windstärken hoch am Wind. Peter und Amazone vertragen sich ganz wunderbar, und wir traben Meile für Meile unserem Ziel entgegen. Die Sonne lacht vom Himmel, und es ist 18 Grad warm.

Gestern Nachmittag sind wir einer kleinen Gruppe Orca-Wale begegnet. Wir sind unbeabsichtigt ganz dicht an ihnen vorbeigesegelt. Erst hörten wir ein Prusten, dann sahen wir die Rückenflossen und schließlich sprang ein Tier aus dem Wasser. Trotz der Masse sah es sehr elegant aus. Diese schönen Wesen hier draußen in ihrer natürlichen Umgebung zu erleben ist einzigartig. Die Show im Loro Park auf Teneriffa fiel mir wieder ein, aber dieses Erlebnis mitten auf dem Atlantik ist damit natürlich überhaupt nicht zu vergleichen.

Einige Zeit später segelten wir dann in etwa 100 Meter Entfernung an einer großen orange farbenen Boje vorbei. Keine Ahnung, warum sie hier herumtreibt oder was für eine Aufgabe sie hat. Jedenfalls wäre es ziemlich unheimlich, Nachts damit zusammenzustoßen.

In vier Seemeilen Abstand kam uns gestern Nachmittag mal wieder ein Frachter entgegen, weitere Begegnungen gab es nicht.

Ach ja, noch etwas hat sich gestern Nachmittag zugetragen (war ja ganz schön was los, gestern Nachmittag...): Ein Fisch hatte angebissen, Angelleine rollte sich ab und etwas später riss die Leine ab. Oha, da war wohl ein sehr großer Fisch dran. Wieder haben wir einen Köder verloren, schade.

Mittwoch, 17.06.2015, 12.00 Uhr

Position 43° 26,3' N; 25° 15,3' W; Etmal: 109 Seemeilen; Rest: 964 Seemeilen

Gestern Abend kam tatsächlich ein laues Lüftchen, der Gennaker konnte gesetzt werden und zog uns mit immerhin drei Knoten Fahrt durchs Wasser in die sternenklare Nacht. Drei Knoten sind nicht viel, aber immerhin konnten wir segeln und der Motor konnte abgestellt werden. Gegen Mitternacht, zum Ende seiner Wache, hat Ingo den Gennaker eingerollt und die Genua ausgerollt. Die Genua mit ihren 36 Quadratmetern Segelfläche kann ich alleine besser handhaben, als den 80 Quadratmeter großen Gennaker. Falls es wegen Schauerböen nötig sein sollte, könnte ich die Genua einrollen und müsste Ingo nicht wecken. Tatsächlich zogen einige Wolken auf, die Sterne verschwanden, aber von Regen blieben wir verschont. Die Nachtwache ging ereignislos vorüber. Kein Schiff ist in der Nähe.

Mit der "Lubini", die etwa 100 Seemeilen achteraus unterwegs ist, stehen wir über das Satellitentelefon einmal täglich in Kontakt. Mittags teilen wir uns unsere jeweilige Schiffsposition mit.

Am heutigen Morgen hat der Wind etwas gedreht und zugenommen. Wir segeln mit vier Beaufort am Wind und kommen mit etwa fünf Knoten Fahrt gut voran. Seit heute Morgen ist die Distanz bis zum Ziel nicht mehr vier-, sondern dreistellig! Der Seegang ist gut auszuhalten, die Sonne bricht gerade durch die Wolken, und ich habe vorhin das wunderbar duftende, beste Weißbrot der ganzen Reise aus dem Ofen geholt. Das Leben kann so einfach und so schön sein!

Dienstag, 16.06.2015, 12.00 Uhr

Position 41° 52,3' N; 26° 29,3' W; zurückgelegte Distanz: 117 Seemeilen; Rest: 1.053 Seemeilen

Am späten Nachmittag kam gestern tatsächlich noch ein bisschen Wind. Wir konnten endlich den Gennaker setzen, der uns bei drei bis vier Beaufort mal halbem, mal achterlichem Wind, bis Mitternacht ganz gut voran gebracht hat. Wunderbar, so macht es Spaß, so soll es sein! Dann begann meine Wache und der Wind schlief ein. Seit dem ist der Wind nicht zurück gekommen, wir dieseln also mal wieder durch die unendliche Weite und fragen uns, wie lange das noch so weitergehen wird. Die gestrige Wind- und Wettervorhersage hat ergeben, dass es neben, hinter und vor uns nur sehr wenig bis gar keinen Wind gibt und dass sich daran die nächsten fünf Tage nichts ändern soll. Unser Kurs ist nicht direkt nach Falmouth abgesteckt, sondern wir fahren zunächst mehr nördlich, in der Hoffnung dort auf passenden Wind zu stoßen. Wir können uns nur in Geduld üben, jedes noch so laue Lüftchen ausnutzen und hoffen, dass wir irgendwann doch wieder segeln können.

Wir gehen derweil unsere Wachen, freuen uns über Delphine, die uns besuchen kommen und versuchen tagsüber Schlaf nachzuholen. Außerdem habe ich gestern zur Feier des Tages einen Kuchen gebacken. Es war unser 26. Hochzeitstag, und wir zwei sind mit der Amazone ganz allein auf dem weiten Atlantik. Hochzeitstag mal ganz anders.

Montag, 15.06.2015, 12.00 Uhr

Position 40° 02,6' N; 27° 22,8' W; zurückgelegte Distanz: 108 Seemeilen; Rest: 1.192 Seemeilen

Bevor wir gestern um 12 Uhr ablegen konnten, waren noch die Formalitäten im Marinabüro zu erledigen. Für die Amazone haben wir rund 15 Euro Liegegeld pro Tag bezahlt, einschließlich Strom und Wasser. Duschen kostete 2 Euro extra, die an der Rezeption des Servicegebäudes zu entrichten waren. Dafür durften wir nicht nur heiß und unbegrenzt lange duschen, sondern bekamen auch noch ein Handtuch und Seife dazu. Nettes Verfahren, das wir so noch nirgends erlebt hatten. Wir mussten hier zwar im Päckchen liegen, aber es ist alles gut organisiert. Die Päckchen sind nummeriert und bei der Anmeldung bekommt jede Yacht "ihr" Päckchen zugewiesen. Es liegen höchstens vier Boote nebeneinander.

Dann hieß es "Leinen los!". Hier und da wurde uns von einem Boot aus gewunken und eine gute Reise gewünscht. Ein "Nice boat!" schallte zu uns herüber und sogar ein Foto wurde von der Amazone gemacht. Im Vorhafen drehten wir dann noch eine Abschiedsrunde, um uns von Holger und seinem Papa auf der "Indiana" und noch ein paar anderen Bekannten zu verabschieden. Torsten von der "Merlin" stand auf der Mole und winkte uns zu. Das war eigentlich ein schöner Abschied, und trotzdem war mir das Herz ganz schwer. Immer diese verdammten Abschiede! Sie gehören nun mal dazu, wie der Christbaum zum Weihnachtsfest. Aber daran gewöhnen, kann ich mich nicht.

Wir setzten den Gennaker und kamen sehr gut voran. Die Amazone galoppierte teilweise mit sieben Knoten Fahrt durchs Wasser! Kurz vor Sonnenuntergang tauschten wir den Gennaker gegen die Genua. Leider nahm der Wind im Laufe der Nacht immer mehr ab und schlief heute Morgen gegen 10 Uhr ganz ein. So ein Mist - wir fahren mit Motor. Dabei sollten hier jetzt laut Wettervorhersage vier Beaufort herrschen und wir herrlich segeln können. Erst in den nächsten Tagen sollte der Wind abnehmen. Na, Prost Mahlzeit - das lässt nichts Gutes ahnen. Gleich bekommen wir die neue Wind- und Wettervorhersage und sind gespannt, wie es sich entwickeln wird.

Sonntag, 14.06.2015

Reise, Reise! Rolling home! Es geht schon wieder los. Lebensmittel, Diesel und Wasser sind gebunkert, der Motor ist gewartet, die Wäsche gewaschen, die Zähne sind wieder in Ordnung, die Haare geschnitten, Bücher getauscht und Ansichtskarten geschrieben. Die Wind- und Wettervorhersage erscheint uns passend, um unsere zweite Atlantiküberquerung zu vollenden und Richtung England aufzubrechen. Im Gepäck haben wir viele schöne Eindrücke von den Inseln Flores und Faial. Die Zeit in Horta war bunt und bestimmt durch die vielen Crews, die wir hier getroffen und kennen gelernt haben. Die Nachbarinsel Sao Jorge laufen wir nicht mehr an, aber wir haben den leckeren Käse, der dort hergestellt wird, in Horta gekauft und lassen ihn uns unterwegs schmecken. Ein leckerer Abschiedsgruß von den Azoren.

1.300 Seemeilen liegen vor uns, wir queren den Englischen Kanal und müssen uns auf Kälte, Nebel und viel Schiffsverkehr einstellen. Wenn die Verhältnisse es erlauben, werden wir wieder Berichte von hoher See schreiben.

Na, dann mal los. Nur kein Moos ansetzen!

 

In Portugal sind die Plätze und Fußwege häufig mit schönen Mosaiken belegt:

Sonnabend, 13.06.2015

Seit Dienstag sind wir hier in Horta und heute ist unser erster Tag, an dem wir (fast) keine Termine haben und einmal ausspannen können. Allerdings klingelt schon um 7.30 Uhr der Wecker, weil die "Lubini"-Crew ablegen und zu einer anderen Insel segeln will. Wir wollen noch etwas bleiben, und so entlassen wir Klaus und Bernd aus dem Päckchen und winken ihnen hinterher. "Gute Reise! Bis bald! Wir sehen uns spätestens in England!"

Nachdem Ingo dann vom Friseur mit einem flotten Kurzhaarschnitt zurück ist, gehen wir ein bisschen bummeln. Torsten von der "Merlin", der vorgestern hier von Antigua kommend eingetroffen ist, schließt sich uns an. Er stammt aus der Nähe von Bremen und ist jetzt mit seiner "Merlin" auf dem Rückweg nach Deutschland. Mitte Juli wird er von seiner Familie und seinen Freunden in Bremerhaven zurückerwartet. Während wir 15 Tage von Bermuda zu den Azoren unterwegs waren und 1.680 Seemeilen zurückgelegt haben, hat er von Antigua für etwa 2.200 Seemeilen 35 Tage benötigt. Davon musste er mehr als 1.700 Seemeilen ohne Genua segeln und konnte nur ein ganz kleines Vorsegel an einem Notvorstag setzen. Das eigentliche Vorstag, das den Mast davon abhält, nach hinten wegzukippen, ist oben am Mast ausgebrochen. Glück im Unglück, dass er den Mast nicht verloren hat. Da ist es doch gar nicht so schlimm, dass die Reise "etwas" länger gedauert hat. Diese und noch viele andere Geschichten hat er uns gestern Abend erzählt. Klaus und Bernd hatten sich auch dazu gesellt und so wurde auf der Amazone mal wieder viel gelacht.

 

Torsten, der zurzeit als Einhandsegler unterwegs ist, auf seiner "Merlin":

 

Auch die kleine Ente ist auf den Azoren - im Hintergrund die Nachbarinsel Pico:

 

 

 

Freitag, 12.06.2015

Die Tage in Horta vergehen wie im Fluge. Sie sind mit allerlei Organisatorischem ausgefüllt, aber auch für gemeinsame Unternehmungen und Treffen mit anderen Seglerinnen und Seglern bleibt Zeit. Die Kontakte ergeben sich ganz zufällig und sind immer wieder interessant und bereichernd. So waren wir gestern zum ersten Mal zu Besuch auf einem Katamaran. Holger und sein Papa hatten uns eingeladen, die "Indiana" kennenzulernen. Tatsächlich unheimlich viel Platz auf so einem Zwei-Rümpfer, ein ganz anderes Leben und Reisen auf so viel Breite.

Felix fliegt heute zurück nach Deutschland, an seiner Stelle segelt jetzt Bernd auf der "Lubini" mit. Verabschiedet haben wir uns auch von der "Anne". Nette, Stefan, Lasse, Neele und Torge sind heute weitergesegelt. Irgendwann und irgendwo sehen wir uns ganz bestimmt noch wieder.

Heute Morgen stand ein Zahnarzttermin an. Zum dritten Mal auf dieser Reise musste dieses Sorgenkind versorgt werden. Hoffentlich hält es jetzt bis Deutschland. Anschließend ging es mit Klaus und Bernd zu einer kleinen Rundfahrt zur Caldeira, einem Krater eines erloschenen Vulkans. Sehr beeindruckend und ein wunderschöner Ausblick. Am Kraterrand führt ein Wanderweg entlang. Diesen Weg wandern wir, wenn wir irgendwann wiederkommen. Nächster Punkt auf der Tagesordnung war ein Großeinkauf beim Supermarkt. Jetzt sind die Vorräte zu günstigen Preisen aufgestockt. Wir haben es sogar noch geschafft, die Wäsche zu waschen und für Ingo einen Friseurtermin zu vereinbaren.

Eine Motorinspektion hat Ingo gestern erledigt,  und so sind wir  im Prinzip schon wieder startklar. Täglich schauen wir uns die Wind- und Wettervorhersage an. Spätestens Anfang nächster Woche werden wir wohl den nächsten langen Törn antreten.

 

Wer sagt denn, dass es auf den Azoren keine Palmen gibt?

 

Lasse und Neele mit ihren Freunden Arne und Bente - sie haben das "Anne"-Bild fertig:

 

Blick über den Hafen von Horta:

 

Blick in den Krater:

Mittwoch, 10.06.2015

Heute wollen wir uns dem Projekt "Amazone und uns an der Kaimauer in Horta verewigen" widmen. Gewisse Vorkenntnisse haben wir ja schon, weil wir uns an der Kaimauer in Porto Santo bereits verewigt haben. Die Farbdosen haben seitdem schon zweimal den Atlantik überquert, sind aber noch gut in Schuss. Ein freies Plätzchen hatten wir uns gestern schon ausgeguckt. So bewaffnen wir uns mit Drahtbürste, Klebeband, Farben und allerlei anderen Utensilien und legen los.

Einige Meter von uns entfernt sind Klaus und Felix von der "Lubini" schwer beschäftigt und kämpfen mit Spraydosen und Schablonen. Jeder favorisiert seine ganz eigene Technik. Ab und zu flitzt Lasse von der "Anne" mit seinem Roller vorbei. Er ist mit seinen Freunden dabei, das "Anne-Logo" auf die Mauer zu zaubern.

Endlich sind wir fertig und mit unserem kleinen Bild ganz zufrieden. Hier gibt es wesentlich schönere, aber uns gefällt's. Herr Karge, mein alter Kunstlehrer, hätte mir wahrscheinlich wieder eine Drei gegeben.  

Am späten Nachmittag wird es dann auch Zeit für eine Pause. Wir treffen uns auf der Amazone und in geselliger Runde genießen wir den Sundowner. "Sun" war heute nicht unbedingt vorhanden, aber ein entsprechendes Getränk schmeckt ab 18 Uhr trotzdem.

Im Laufe des Abends kommen dann auch noch Holger und sein Papa dazu. Sie stammen aus der Nähe von Greifswald, und  der Papa war bei der Marine der ehemaligen DDR beschäftigt. Ingo war bei der Deutschen Bundesmarine, und so ist es gar nicht so unwahrscheinlich, dass sie damals auf der Ostsee im Dienst für ihr jeweiliges Land an einander vorbeigefahren sind. Übereinstimmend stellen wir fest, wie glücklich wir uns schätzen können, dass diese Zeiten vorbei sind. Nebeneinander zu sitzen und miteinander zu reden ist doch wesentlich besser, als an einander vorbeizufahren oder gar auf einander schießen zu müssen.

 

Konzentriert bei der Arbeit:

 

Auch Klaus und Felix sind fleißig dabei:

 

So filigran wird hier selten gemalt:

 

 "Paulinchen" war auch schon hier:

 

Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt:

 

Tausende Bilder hinter denen sich tausende Törns und Geschichten verbergen, jedes ist einzigartig:

Dienstag, 09.06.2015

Gestern Abend hat es sich schon ergeben, dass wir im Peters Café Sport vorbeigeschaut haben. Alte und neue Bekannte haben wir dort getroffen und den letzten der fünf uns anvertrauten OSV-Stander dort gelassen. Die hilfsbereite Mitarbeiterin hat den Stander an sich genommen und versprochen, ihn aufzuhängen, sobald sie Zeit dazu findet. Heute Morgen haben wir nachgesehen - ja! Der Stander hängt! Damit haben wir jetzt alle fünf OSV-Stander aufgehängt sowie einen WVW- und einen WVWo-Stander.

Die OSV-Stander hängen im "Green Bolley" auf Bequia, im "Rusty Pelican" auf Antigua, im Restaurant des "Royal British Virgin Yacht Club" auf Tortola (hier hängt auch der WVWo-Stander), im Restaurant des "Bitter End Yacht Club" auf Virgin Gorda (hier hängt ebenfalls der WVW-Stander) und der fünfte hängt nun hier in Horta auf Faial im berühmten Café Sport.

Außerdem haben wir uns heute um die Befüllung unserer deutschen Gasflasche gekümmert. Wir können sie hier ganz in der Nähe der Marina abgeben und übermorgen abholen. Morgen ist hier ein Feiertag, deshalb erst am Donnerstag. Dem Supermarkt haben wir auch einen Besuch abgestattet - hier können wir aus dem Vollen schöpfen! Manches, was wir lange entbehrt haben, ist hier zu einem normalen Preis zu bekommen.

Am Nachmittag kamen noch Holger und sein Papa vorbei. Die beiden ankern im Vorhafen und kamen mit ihrem Dinghy längsseits. Gleich erwarten wir noch mehr Besuch, mal hören, wie die anderen ihre Überfahrt erlebt haben.

 

 

Montag, 08.06.2015

Das Marinabüro in Flores ist am Wochenende nicht besetzt und so haben wir am Freitag schon das Liegegeld abgerechnet, weil wir am Sonntag weiter nach Faial segeln wollten. Pro Tag waren für die Amazone 12,60 Euro fällig, einschließlich Wasser, Strom und leider nur kalter Duschen. Ein absolutes Schnäppchen. Allerdings steht bei Wind aus östlichen Richtungen erheblicher Schwell in den Hafen, so dass es dann äußerst ungemütlich wird. Bei unserer Anmeldung hatte uns der Hafenmeister schon darauf hingewiesen, dass der Wind in absehbarer Zeit auf Ost dreht und uns empfohlen, rechtzeitig den Hafen zu verlassen. Auch für unseren Törn nach Faial wäre Ostwind ungünstig, weil er genau von vorne käme. Also haben wir gestern Morgen gemeinsam mit der "Lubini" Flores verlassen. Wir waren gerade dabei, die Fender und Leinen aufzuklaren, als an der Kaimauer ein Auto hielt, mehrmals laut gehupt wurde und jemand zu uns herüber winkte - es war Christian Pfeiffer. Ein netter Abschiedsgruß vom Trans Ocean Stützpunktleiter.

135 Seemeilen lagen vor uns und nach 25 Stunden sind wir heute Morgen um 10 Uhr in Horta auf Faial  angekommen. Mangels Wind mussten wir die gesamte Strecke mit Motor fahren. Die Marina ist sehr gut besucht, ist sie doch ein Dreh- und Angelpunkt der Seglergemeinde. In Horta werden Crews getauscht, Heimatflüge angetreten oder die Yacht für die Weiterreise ausgerüstet.

Ein ungeschriebenes Gesetz sagt, dass ein Segler nicht auf den Azoren gewesen sein kann, ohne in Horta angelegt zu haben. Zwei Punkte müssen dort unbedingt erledigt werden: in "der" Seglerkneipe Peter's Café Sport ein Bier trinken und sich auf der Kaimauer mit einem kleinen Bild verewigen.  Wir haben noch einen der fünf OSV-Stander, die uns auf unserer Abschiedsparty überreicht wurden, den wollen wir in Peter's Café Sport aufhängen. Auf Porto Santo haben wir ja schon ein kleines "Kunstwerk" auf der Kaimauer hinterlassen, mal sehen, welches Motiv uns für Horta einfällt.

 

Am Vormittag erreichen wir Faial:

 

 

Sonnabend, 06.06.2015

 

Bevor wir heute mit Klaus und Felix zum zweiten Teil unserer Flores-Erkundung aufbrechen können, gibt es noch einiges zu erledigen und zu organisieren. Den seltenen Luxus, ein Auto für Einkäufe und Besorgungen zur Verfügung zu haben, wollen wir nutzen. Unsere Getränke- und Dieselvorräte haben wir wieder aufgestockt. Noch schnell Wasser tanken, dann kann es auch schon losgehen.

Waren wir gestern vorwiegend mit dem Auto auf Flores unterwegs, wollen wir heute wandern. Aber zunächst fahren wir zum höchsten Berg auf Flores, dem Morro Alto, hinauf. Leider ist seine Spitze in dichte Wolken gehüllt, schöne Aussicht Fehlanzeige. So fahren wir wieder ein Stück ins Tal hinab und wollen wandern. Ein richtiges kleines Abenteuer haben wir uns ausgedacht und einen Plan gemacht: Ingo und ich wandern den Berg hinab nach Faja Grande. Klaus und Felix fahren mit dem Auto nach Faja Grande und beginnen von dort den Aufstieg. Irgendwo auf dem Wanderweg treffen wir vier uns, der Autoschlüssel wird übergeben, Ingo und ich wandern weiter nach Faja Grande und holen mit dem Auto Klaus und Felix auf der anderen Seite des Berges wieder ab. Zur Verständigung haben wir unsere Handys - und ganz verwegen - Handfunkgeräte dabei. Wir fühlen uns wie die Pfadfinder, oh, wie aufregend!

Zunächst geht es über eine sumpfige Wiese den Kamm entlang, dann beginnt der sehr steile Abstieg. Über treppenförmig verlegte Natursteine geht es in Serpentinen hinab. Wir sind etwa 800 Meter hoch, die grasenden Rinder im Tal sind winzig klein, ebenso die Häuser in Faja Grande. In der Nacht hatte es kräftig geregnet und so sind die schmalen, steilen Pfade äußerst rutschig. Mit unseren Bootsschuhen schlittern und glitschen wir Richtung Tal und müssen höllisch aufpassen, nicht auszurutschen oder umzuknicken. An Bord sind glatte Sohlen angebracht, auf einer Bergwanderung sind sie fehl am Platze. Eigentlich eine Binsenweisheit, aber so steil und unwirtlich hatten wir uns das hier auch nicht vorgestellt. Ab und an bestaunen wir die üppige Vegetation, die himmlische Ruhe, das Plätschern eines Bächleins und sind überwältigt von der atemberaubenden Aussicht.

Die Rinder im Tal werden nur ganz allmählich größer, Meter für Meter kraxeln wir bergab. Hin und wieder nehmen wir per Funk Kontakt mit Klaus und Felix auf. Komisch, Klaus redet von einer Asphaltstraße und einem Flusslauf. Bei uns geht es steil bergab, einen Fluss sehen wir nicht, und wenn wir uns hier demnächst irgendwo begegnen wollen, müsste es bei den beiden schon einige Zeit steil bergauf gehen, und zwar auf bemoosten Natursteinen, nix mit Asphalt!

Schließlich haben Ingo und ich ohne Blessuren Faja Grande erreicht, von Klaus und Felix keine Spur. Wir beschreiben uns per Funk gegenseitig, wo wir uns gerade befinden. Irgendwie kommen wir nicht auf einen Nenner, und so beschließen wir, uns beim Auto zu treffen. Es stellt sich dann heraus, dass die drei Wanderwege, die es hier gibt, alle die gleiche Markierung haben - einen gelben und einen roten Balken. Hoppla, da haben Klaus und Felix doch glatt den falschen Wanderweg erwischt. So können wir von unserem Kletterabenteuer berichten und die beiden beschreiben den wunderschönen See mit den vielen Wasserfällen, den sie auf ihrer Wanderung entdeckt haben.

Der krönende Abschluss dieses Tages ist ein erneuter Besuch im Restaurant "Casa do Rei", anschließend lädt Klaus uns noch auf einen Absacker auf die "Lubini" ein. Wieder geht ein schöner Tag zu Ende.

 

 Auf dem Kamm des Berges grasen Rinder und beäugen uns neugierig:

 

Auf dem Berg-Kamm blühen die Hortensienhecken:

 

Links ging es senkrecht steil bergab:

 

Auf diesen schmalen Naturpfaden ging es am Steilhang hinunter. Im Hintergrund ist zwischen den Ästen das Tal zu erkennen:

"Das Wandern ist des Skippers Lust...":

 

Blühendes Flores:

 

Wassermühle in Faja Grande:

Freitag, 05.06.2015

Jetzt bedanken wir uns erstmal für die vielen Glückwünsche und lieben Grüße, die uns in den letzten Tagen auf verschiedenen Wegen erreicht haben! DANKE! Wir haben uns sehr gefreut, und es tut gut zu wissen, dass wir "da draußen" nicht ganz allein sind, sondern so viele Menschen uns in Gedanken begleiten! Wir bemühen uns, alle Mitteilungen individuell zu beantworten, was allerdings einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Die Internetverbindung macht es uns mal wieder schwer, aber wir sind dran!

Mit Christian Pfeiffer, dem hiesigen Trans Ocean Stützpunktleiter, haben wir gestern Abend besprochen, dass er uns für zwei Tage ein Mietauto vermitteln kann. Und so machen wir uns gemeinsam mit Klaus und Felix zu einer Inselrundfahrt auf.

Flores ist 141 Quadratkilometer groß und hat etwa 4.000 Einwohner. Die höchste Erhebung ist der Morro Alto mit 914 Metern. Die Insel wurde 1452 entdeckt und trägt seit 1475 wegen ihrer Blumenfülle ihren heutigen Namen Flores. Die Menschen leben hauptsächlich von der Landwirtschaft, der Viehzucht und der Produktion von Milchprodukten sowie dem Tourismus. Die Insel hat sich ihre Ursprünglichkeit bewahrt und bietet wundervolle, reizende Landschaften voller idyllischer Ruhe.

Es grünt und blüht überaus üppig. Vor allem fallen die blauen Blüten der unzähligen Hortensien ins Auge. Eine blühende Hecke reiht sich an die nächste. Die Insel ist von wasserreichen Flüssen durchzogen, die kleine und kristallklare Wasserfälle bilden. Von den Steilküsten aus bieten sich grandiose Ausblicke auf den Atlantik.

Nur hin und wieder kommt uns ein Auto entgegen. An den zahlreichen, ausgeschilderten Aussichtspunkten halten wir an und genießen die traumhafte Aussicht. Wir fühlen uns an Dominica und La Gomera erinnert. Aber hier geht es viel beschaulicher zu. Beispielsweise schließt hier niemand seine Haustür ab - im Gegenteil. Entweder steht die Tür weit offen oder der Schlüssel steckt von außen. Die Insel wird von ihren Bewohnerinnen und Bewohnern liebevoll in Schuss gehalten. Alles ist ordentlich und gepflegt.

Zum Schluss lassen wir uns im Restaurant "Casa do Rei" ein leckeres Essen zum vernünftigen Preis schmecken. Auch dies ein sehr guter Tipp von Christian Pfeiffer.

 

Typisches Haus auf Flores:

 

Klaus, Ingo und Felix:

 

Blütenpracht all überall:

Donnerstag, 04.06.2015

Nachdem wir uns gestern bei dem sehr freundlichen und hilfsbereiten Hafenmeister angemeldet haben, kümmerten wir uns erst einmal um die Amazone. Diese tapfere Marathonseglerin hatte sich eine ausgiebige Süßwasserdusche redlich verdient. Als im Boot alles aufgeräumt und geputzt war, haben wir uns zu einem ersten Spaziergang aufgemacht. Die Wäsche konnten wir hier im Ort zum Waschen abgeben und sogar einen ganz gut sortierten Supermarkt gibt es hier. Endlich können wir wieder zu normalen Preisen einkaufen. Sogar Weintrauben waren erschwinglich. In einem kleinen Restaurant direkt am Hafen haben wir zum Schluss einen Hamburger mit Pommes gegessen. Hatte diese Köstlichkeit auf Bermuda 16 US Dollar gekostet, bekamen wir sie hier für ganze 4 Euro. Später fielen wir todmüde in die Kojen und schliefen tief und fest bis heute Morgen um elf Uhr.

Die Box neben uns ist heute Vormittag frei geworden, und so war die Freude groß, als Klaus und Felix mit der "Lubini" dort anlegten. Sie haben es also auch geschafft und sind wohlbehalten auf Flores angekommen. Wir lagen uns in den Armen und haben erleichtert auf die gelungene Atlantiküberquerung angestoßen.

Am Abend haben wir dann Ingos Geburtstag nachgefeiert. Klaus und Felix waren bei uns an Bord zum Essen eingeladen. Der hiesige Trans Ocean Stützpunktleiter Christan Pfeiffer schaute auch noch vorbei und bot uns seine Hilfe an und gab uns viele nützliche Tipps. Später kamen noch Holger und sein Vater dazu, die hier mit ihrem Katamaran vor Anker liegen. Ein sehr schöner Abend mit netten Gästen!

 

Durch den St. George Channel ging es am 19.05. los zu den Azoren:

 

"Und die Amazone segelte zum Regenbogen":

 

Wale ziehen in einiger Entfernung vorbei:

 

Duschen auf dem Atlantik:

 

Die "Richard Maersk" auf ihrem Weg nach Alexandria:

 

Immer immer wieder geht die Sonne auf:

 

Die portugiesische Gastlandflagge wird gesetzt:

 

Flores - die westlichste der neun zum Archipel der Azoren gehörenden Inseln - haben wir nach 15 Tagen und 1.680 Seemeilen am 03.06. erreicht:

Mittwoch, 03.06.2015

 

Wir haben es geschafft! Nach 15 Tagen (und Nächten) sind wir wohlbehalten auf Flores angekommen. 1.680 Seemeilen und viele Liter Diesel liegen hinter uns. Von Starkwind bis Flaute war alles dabei. Unsere Freude, ohne größere Maleschen angekommen zu sein, ist riesig! Als heute im Morgengrauen die ersten Umrisse von Flores am Horizont zu erkennen waren, war das schon ein gutes Gefühl. Aber als wir schließlich parallel zur Insel Richtung Hafeneinfahrt fuhren, sauste die emotionale Achterbahn mal wieder ungebremst in einen Looping. Kein türkisblaues Wasser mehr - sag' mir, wo die Palmen sind, wo sind sie geblieben? Schlagartig wurde mir bewusst, dass ein besonders schöner Reiseabschnitt unwiderruflich zu Ende ist und wir allmählich in die letzte Runde unseres Abenteuers kommen.

Im Hafen angekommen waren gleich zwei, drei, vier hilfsbereite Segler zur Stelle, um unsere Leinen anzunehmen. "Obrigado, thank you, danke, merci". Kurze Verschnaufpause, endlich mal wieder ein Bier zischen, aufklaren, Müll entsorgen, beim Hafenmeister anmelden. Und dann - erst mal richtig ankommen!

 

Dienstag, 02.06.2015, 12.00 Uhr

Position 39° 20,6' N; 33° 23,4' W; Etmal: 107 Seemeilen; Rest: 102 Seemeilen

Ein paar Stunden konnten wir gestern und in der Nacht noch segeln. Mit ausgebaumter Genua ging es gemütlich durch die unendlich scheinende blaue Weite. Nichts als Wasser, Himmel und wir. Ab und zu schauen Delphine vorbei, begleiten uns eine Weile, um dann weiterzuziehen. Ganz selten sehen wir auch mal einzelne Vögel, die ihre Kreise drehen und wieder am Horizont verschwinden. Hin und wieder ziehen in einigen Meilen Abstand Frachter oder Tanker vorbei. Ihre Ziele sind Häfen an Portugals Küste, im Mittelmeer oder in Afrika. Seit einigen Stunden hat sich der Wind wieder komplett verabschiedet, und wir fahren mit Motor. Gestern Nachmittag haben wir wieder Diesel aus den Kanistern nachgetankt. Der Einbautank war danach randvoll, alle Kanister sind jetzt leer. Der Ölstand wurde kontrolliert und der Seewasserfilter gereinigt. Muss alles sein, damit unser grüner Freund weiter brummt und zufrieden ist.

Wir rechnen damit, morgen am frühen Nachmittag auf Flores, der westlichsten der Inseln, die den Archipel der Azoren bilden, anzukommen. Heute vor zwei Wochen haben wir auf Bermuda den Anker gelichtet, und wir freuen uns, wenn endlich Land in Sicht kommt. Endlich wieder durchschlafen, endlich wieder die Beine vertreten, endlich wieder andere Farben sehen. Der letzte Apfel ist gegessen, die letzte Grapefruit ist gleich an der Reihe, und so freuen wir uns auch auf frisches Obst und Gemüse.

Montag, 01.06.2015, 12.00 Uhr

Position 39° 16,5' N; 35° 42,3' W; Etmal: 102 Seemeilen; Rest: 209 Seemeilen

Mal geht es unter Segeln voran, dann wieder unter Motor. Der Wind ist weiterhin schwach, aber der Seegang hat seit gestern Nachmittag, wie vorhergesagt, auf knapp zwei Meter zugenommen. Die langgezogenen Wellen rollen stetig schräg achterlich von Backbord heran. Sie heben die Amazone an, rollen unter ihr hindurch, lassen sie sich zur Seite neigen, ehe sie sich wieder aufrichtet, um erneut angehoben zu werden. Wie ein Baby in seiner Wiege liege ich in meiner Koje und werde sanft geschaukelt. Allerdings ist das ewige Geschaukel auch dafür verantwortlich, dass manch ein Schluck Kaffee nicht getrunken, sondern verschüttet wird. Ständig ist der Körper in Bewegung, um die Bewegungen des Bootes auszugleichen. Brot backen, Kochen und Abwaschen werden zum Erlebnis.

Das soll aber nur eine Beschreibung unserer Situation an Bord sein, kein Gejammer! Solange die Amazone so sanft rollt und schaukelt, ist es noch gut auszuhalten. Viel besser, als wenn bei einem Hoch-am-Wind-Kurs der Bug krachend in die Wellen schlägt.

Leider gibt es einen sehr bedauerlichen Ausfall zu vermelden: Wie schon sein Vorgänger auf unserer ersten Atlantiküberquerung, hat gestern Nachmittag auch unser nagelneuer Steuerarm der elektrischen Selbststeueranlage seinen Dienst quittiert. Malte hatte ihn uns gerade erst nach Martinique mitgebracht. Sang- und klanglos gab der Steuerarm von einem Moment zum anderen nichts mehr von sich. Sein Vorgänger hatte bei seinem Abgang von der Langfahrt-Bühne noch eine große Show abgezogen und mit einem Kurzschluss die Navigationsgeräte lahmgelegt. Der Nachfolger zog einen leisen, bescheidenen Ausstieg vor. Aus, vorbei, macht mal ohne mich weiter. Wir sind nur froh, dass wir noch den uralten Steuerarm dabei haben, der - toi, toi, toi - tapfer durchhält. Was ist nur mit den Geräten los? So schnell wie sie kaputtgehen, kommt die Garantieabwicklung gar nicht hinterher.