Mittwoch, 31.12.2014

   Segeln ist Mühsal und Segeln ist Wonne,
  Segeln ist Regen und Segeln ist Sonne.
  Segeln ist Wind und Wellen die schäumen,
  Segeln ist Küste und Ankern und Träumen.
 
  Für uns ist es mehr - ein bisschen Freiheit und Glück.

 

Wir wünschen allen zusammen einen guten Start in ein schönes und gesundes neues Jahr!

Wie verbringen wir den letzten Tag dieses für uns besonderen Jahres? Zunächst klingelt in aller Frühe um 5.15 Uhr der Wecker. Wir sind schon um sieben Uhr mit Dean verabredet. An seinem Obst- und Gemüsestand kaufen wir häufig ein. Er bietet nebenbei auch Touren in den Regenwald mit Besuch eines Wasserfalls an.  Wir sind pünktlich an Land, aber Dean hat noch das eine und andere zu organisieren, so dass es dann gegen halb acht auch schon losgehen kann.

Erst mal gehen wir an seinem Haus vorbei, dort zieht er sich Gummistiefel an und bewaffnet sich mit einer Machete. Nun geht es tatsächlich los. Nach einem 30 minütigen Spaziergang legen wir eine kleine Rast ein und trinken aus den von Dean mitgebrachten gelben Kokosnüssen, die er mit seiner Machete köpft, herrlich erfrischende, klare Kokusmilch, Jelly, wie es hier genannt wird. Dann biegen wir von der Hauptstraße in den dichten Wald ab. Dean erklärt uns die Bäume, Kräuter und Pflanzen, macht uns auf allerlei Getier, Papageien und andere wunderschöne Vögel, aufmerksam und ebnet uns mit seiner Machete den Weg. In der letzten Nacht hat es kräftig geregnet, und wir müssen aufpassen, auf dem glitschigen Waldboden nicht auszurutschen. Die wuchernden Pflanzen, riesigen Bäume und Bambusstämme sind beeindruckend und wunderschön. Der angekündigte Wasserfall ist leider eine ziemliche Enttäuschung, nur wenig Wasser plätschert an einem Felsen herab. Dann geht es auch schon zurück und gegen 10.30 Uhr sind wir wieder am Schlauchbootsteg.

In der letzten Nacht ist ein großer niederländischer Windjammer in die Bucht eingelaufen. Es sind viele junge Leute an Bord, und so wird heute Abend in Charlotteville wohl einiges los sein. Außer der Amazone ankern jetzt nur noch zwei Yachten aus Frankreich hier. Ein österreichisches Paar mit seinem zweijährigen Jungen ist vorgestern Abend hier mit seiner Yacht angekommen. Kaum war ihr Anker gefallen, kam Natalie, die Bordfrau, mit dem Schlauchboot zu uns herüber. Sie hatte Krauttaschen gebacken, es waren einige übrig, die sie uns gerne schenken wollte.  Was für eine nette Überraschung, und lecker waren sie auch! Die Familie hat zahlende Gäste an Bord, und sie haben es deshalb etwas eilig weiter zu segeln und so sind sie schon wieder unterwegs.

Wir besuchen gleich noch die nette Dame im Touristen Office, um diesen Beitrag ins Netz zu stellen, Fotos hochzuladen, Mails und whatsapps zu beantworten, gehen anschließend noch mal schwimmen und schnorcheln, und heute Nacht - fünf Stunden später als in Deutschland - begrüßen wir das neue Jahr - zum ersten Mal ein Jahreswechsel ohne kalte Hände und Füße! Prosit Neujahr!

 

 Ingo und Dean, unserem Tourguide in den Regenwald:

 

In der grünen Hölle, dem Regenwald:

 

Schöne Blüten gibt es auch zu bestaunen:

 

Das sind Zuckerrohrpflanzen:

 

 

Ein schöner bunter Vogel:

 

Auch Schlangen leben im Regenwald. Diese ist aber ungiftig:

 

Dienstag, 30.12.2014

Was haben wir heute den ganzen Tag über gemacht? Einen Ausflug ins Dörfli unternommen, um ein paar frische Lebensmittel zu kaufen, uns mit einem netten Touristen-Paar aus Schweden unterhalten, einen Spaziergang zur nahegelegenen Pirates-Bay gemacht und ansonsten "liming", sprich: leiming, wie es die Einheimischen nennen, zu Deutsch "Gepflegtes Nichtstun".

 

In dieser farbenfrohen Hütte gibt es etwas zu futtern - und Mittagessen ist fertig:

 

Buntes Treiben in Charlotteville:

 

Gedränge am Schlauchbootsteg und Ingo mit dem wasserdichten Rucksack, darin ab jetzt unser Laptop (er hat wohl kein Vertrauen zu meinen Kletterkünsten):

 

Blick über die Man of War Bay:

 

 

Montag, 29.12.2014

 

Wir haben gestern Jens und Kathrin an Land getroffen und uns für heute Morgen verabredet, um gemeinsam mit dem Bus in die Hauptstadt Scarborough zu fahren. Die beiden ziehen hier aus ihrem Feriendomizil aus, um in einem anderen Teil Tobagos noch eine Woche zu verbringen. Ingo und ich wollen die Stadt kennenlernen und eine SIM Karte für den Laptop kaufen, damit wir von Bord aus ins Internet gehen können. Jedesmal mit dem Schlauchboot an Land fahren, den Laptop im Rucksack und während der relativ kurzen Öffnungszeiten im Touristen-Office sitzen, ist umständlich. Außerdem ist es ein bisschen riskant, den Laptop mit an Land zu nehmen. Nicht, dass ihn uns jemand streitig machen würde, das wohl eher nicht. Aber ich muss mit dem Ding im Rucksack von der Amazone in das Schlauchboot klettern, dann vom Schlauchboot auf den kleinen, hohen Holzsteg krabbeln, wobei das Schlauchboot im Schwell der Brandung des nahen Strandes hin und her fährt und das Ganze dann auf dem Rückweg noch einmal von vorne. Wenn dabei mal etwas schief geht, landen der Laptop und ich im Wasser, was für das Gerät tödlich wäre.

Also stehen wir vier pünktlich um 8 Uhr an der Bushaltestelle, allerdings ohne Fahrkarten. Die gibt es im Minimarket, der öffnet aber erst um 11 Uhr. Es gießt in Strömen - hier ist von Juni bis Dezember Regenzeit, von Januar bis Mai Trockenzeit. Die Temperaturen liegen im Dezember durchschnittlich zwischen 21 und 30° C, im Januar zwischen 20 und 30° C. Gegen 8.30 Uhr ist von dem öffentlichen Bus, der um 8 Uhr abfahren sollte, noch nichts zu sehen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hält allerdings ein Maxitaxi, das nach Scarborough fährt. Darin haben 14 Personen Platz, und wir bezahlen für die 1,5 stündige Fahrt pro Person umgerechnet etwa 1,60 Euro, die Busfahrt kostet umgerechnet 1 Euro. Die Landewährung ist der TT-Dollar. 10 TT-Dollar = 1,20 Euro. In Serpentinen geht es zunächst hinauf, dann hinüber auf die östliche Seite Tobagos und dann auf der östlichen Seite wieder hinunter und an der Atlantikküste Richtung Süden in die Hauptstadt. Wir bekommen einiges von der sehr grünen Insel zu sehen - riesige Bambushaine, Hügellandschaften, mannshohe Farne ebenso wie Palmen und Bananenpflanzen.

In Scarborough angekommen, gießt es auch hier in Strömen. Wir verabschieden uns von Kathrin und Jens, die mit ihrem Gepäck nach einem Taxi Ausschau halten. Schade, es war so nett mit den beiden jungen Leuten.

Wir kaufen die SIM-Karte, gehen noch kurz in den Botanischen Garten und beschließen, den nächsten Bus zurück nach Charlotteville zu nehmen. Wie hatte Jens gesagt: "Scarborough ist nicht schön, der Regen macht es nicht besser." Der Bus soll um 12.30 Uhr abfahren, tatsächlich fährt er erst - oder nur - eine Stunde später los. Karibische Gelassenheit ist angesagt.

Leider funktioniert es mit der SIM-Karte nicht, da wir hier in Charlotteville kein Netz dafür haben. Wir besuchen dann weiter die nette Dame im Touristenbüro.

 

Blick auf die Bucht und den Hafen von Scarborough:

 

Botanischer Garten im Regen:

Sonntag, 28.12.2014

 

Bevor wir heute um 12 Uhr bei Dawn unsere saubere Wäsche abholen können, wollen wir uns etwas weiter in die Ankerbucht hinein verholen. Seit gestern Abend steht einiger Schwell in die Bucht und in der Nacht wiegte sich die Amazone munter hin und her. Allerdings ist es auch am neuen Platz unruhig, aber was soll's. So haben wir jetzt mit dem Schlauchboot einen kürzeren Weg zum Steg. Die Hoffnung, weiter innen in der Bucht eine Internetverbindung zu haben, hat sich leider zerschlagen. Wir sind weiter auf das Touristenbüro angewiesen. Im Laufe des Tages sind noch ein paar Yachten angekommen, mehr als sechs Boote dümpeln hier aber im Moment nicht. Auch Dörte und Paul sind mit ihrer "man suutje" weitergezogen. Mal sehen, wo wir uns wiedersehen.

Im Revierführer von Chris Doyle ist zu lesen, dass Charlotteville ein sehr verschlafenes Fischerdorf ist, in dem es niemand eilig hat und es leicht ist, Freunde zu finden. Und tatsächlich begegnen uns die Einheimischen aufgeschlossen und hilfsbereit. Wir fühlen uns hier sicher. Es ist nicht nötig, das Schlauchboot am Steg anzuketten und es Nachts an Deck zu holen. Wenn wir demnächst weiter nördlich kommen, müssen wir uns dann daran gewöhnen, diese Vorkehrungen zu treffen. In einem Blog haben wir gelesen, dass auf den Kapverden auf der Insel Santiago fürs "Aufpassen" auf das Schlauchboot bis zu 5 Euro pro Tag verlangt werden. Es wird auch gleich der Hinweis gegeben, dass, falls das Geld nicht gezahlt wird, man damit rechnen muss, dass etwas fehlt oder kaputt ist. Die Segler haben die 5 Euro wohl oder übel bezahlt, es war bei ihrer Rückkehr aber  trotzdem am Motor etwas kaputt und Teile gestohlen.

Es gibt hier in der Man of War Bay keine Boatboys. Auf anderen Inseln kommen sie mit ihren Booten angebraust und bieten Obst, Gemüse, T-Shirts und vieles andere zum Kauf an. Auch daran müssen wir uns dann noch gewöhnen. Hier ist es vielmehr so, dass sich die Fischer freuen, wenn sie von einem vorbeifahrenden Schlauchboot mitgenommen werden, um von ihrem vor Anker liegenden Boot an Land gebracht zu werden. Wir machen das gerne. Ankern wir doch ungebeten in ihrem "Vorgarten", bringen unseren Müll zu ihnen und nehmen kostenlos Trinkwasser mit.

 

Ich habe es gefunden - das Haus, in dem Barbie und Ken wohnen:

Sonnabend, 27.12.2014

In Äquatornähe herrscht Tag- und Nachtgleiche, das bedeutet, dass es ziemlich genau 12 Stunden lang hell ist. Um 6 Uhr geht morgens die Sonne auf und um 18.00 Uhr geht sie wieder unter, und das relativ schnell - Dämmerung Fehlanzeige. Schlafentzug ist eine Foltermethode, und wir genießen es jetzt, so oft und so lange schlafen zu können, wie unsere Körper es brauchen.

Ausgeschlafen machen wir uns dann an die heute anstehenden Aufgaben. Wir fahren mit dem Schlauchboot an Land und binden es gerade am kleinen Holzsteg fest, als ein junger Schwarzer vorbeikommt, freundlich grüßt und uns auf Englisch, der Landessprache, fragt, woher wir kommen. Wir antworten "From Germany" und von ihm kommt prompt ein "Wie geht's?". Wir sehen ihn etwas erstaunt an, und er verrät uns, dass er in Berlin/Prenzlauer Berg lebt, dort als Automechaniker arbeitet, aber eigentlich von hier stammt. Ein Berliner auf Heimaturlaub auf Tobago.

Von Dörte und Paul haben wir erfahren, wo wir hier in Charlotteville unsere Wäsche waschen lassen können. Nach drei Wochen wird es mal wieder Zeit, das Thema "Schmutzwäsche" in Angriff zu nehmen. So schleppen wir unsere zwei großen Ikea-Taschen zu Dawn, so heißt die Dame, die einen Wäscheservice anbietet. Morgen können wir alles wieder abholen.

Danach geht es weiter zu Dean. Bei ihm kaufen wir leckeres Obst und Gemüse. Einige Zwiebeln und Kartoffeln gibt es gratis zum Einkauf dazu. Als nächstes besuchen wir die nette Dame im kleinen Touristenbüro. Hauptsächlich vermittelt sie Touren über die Insel in den Regenwald, zu den Wasserfällen und ist bei der Anmietung von Autos behilflich. Wir besuchen sie regelmäßig, weil wir dort einen Internetzugang haben und unsere Mails und Whatsapps beantworten.

Als auch das erledigt ist, machen wir einen Spaziergang zum nahegelegenen Aussichtspunkt Fort Campleton. Es geht eine steile Straße bergauf. Der Aufstieg bei dieser Hitze wird mit einem kolossalen Ausblick auf die Man of War Bay belohnt. Von hier aus können wir auch die Amazone beobachten, wie sie friedlich vor Anker liegt.

Auf dem Rückweg zum Schlauchboot treffen wir in einem kleinen Lokal direkt am Strand Pauls Sohn Jens, und dessen Freundin.  Auch bei uns hat sich der Hunger gemeldet, und so setzen wir uns zu ihnen, reden und lachen zusammen und genießen den einen oder anderen Rumpunsch und ein sehr leckeres Fischgericht.

Am Strand entlang geht's zurück zum Schlauchboot und kurz vor dem Dunkelwerden sind wir wieder an Bord.

 

Landungsbrücke und der Ort Charlotteville. Rechts im roten Haus ist der Mini-Supermarkt, in dem wir uns mit den Grundnahrungsmitteln versorgen können. Im linken grün-weißen Haus arbeitet Dawn (dienstags bis sonnabends):

 

 

Strand in Charlotteville:

 

Blick auf die Man of War Bay vom Aussichtspunkt Fort Campleton:

Freitag, 26.12.2014

 

Ein bisschen steckt uns noch der Schlafmangel und die Anspannung des letzten Törns in den Knochen. Wir wollen hier in Tobago erst mal zur Ruhe kommen, dann diese schöne, ursprüngliche Insel kennenlernen und auch den Jahreswechsel hier verbringen.

Wir schwimmen vor dem Frühstück die erste Runde um die Amazone, die Bucht ist sehr geschützt, von dichtem Grün umrandet, es gibt Strand, in dem kleinen Ort Charlotteville können wir uns mit Wasser und Lebensmitteln versorgen, die Menschen sind freundlich und hilfsbereit, die Fischer grüßen lachend herüber, wenn sie an uns vorbeibrausen - kurzum: Es fehlt uns hier an Nichts. Leider haben sich Isabella und Adolf gestern schon wieder von uns verabschiedet. Aber wir hoffen alle auf ein Wiedersehen.

Das weihnachtliche Kaffeetrinken bei Dörte und Paul an Bord der "man suutje" wurde dann noch auf einen schönen Abend an Land in Charlotteville ausgedehnt. Dort ist dann noch "man suutje"-Verwandtschaft, die hier ein Häuschen gemietet hat, zu uns gestoßen. So verbrachten wir alle gemeinsam einen schönen Abend bei Rumpunsch und Reggaemusik. Die Musik schallte über die gesamte Man of War Bay bis heute Morgen um kurz nach sechs. Unglaublich, was aus vier Lautsprechern herauszuholen ist...

Eine schlechte Nachricht hatten Dörte und Paul dann gestern für uns. In La Coruna hatten wir einen deutschen Einhandsegler kennen gelernt. Er wollte gerne Bücher mit uns tauschen, ich hatte aber leider noch nichts. Seitdem horte ich meine durchgelesenen Bücher für ihn. Aber zum Büchertausch mit ihm wird es nicht mehr kommen. Er ist auf seiner Atlantiküberquerung, etwa 200 Seemeilen südlich der Kanaren, in Seenot geraten, da sein Boot das Ruder verloren hatte. Er musste die Notrufbake aktivieren, um Hilfe herbeizuholen, da er den Schaden nicht beheben konnte. Einige Stunden später kam ein Flugzeug, das ihn umkreiste. Ihm wurde über UKW-Funk mitgeteilt, dass ein Öltanker und eine deutsche Segelyacht unterwegs zu ihm seien. Nach dem gescheiterten Rettungsversuch durch den großen Öltanker, konnte ihn schließlich die deutsche Segelyacht "Pamina" an Bord und mit zu den Kapverden nehmen. Wobei der Tanker hierbei Hilfe leistete und Windschatten herstellte, so dass ein Übersteigen von der havarierten Yacht auf die "Pamina" überhaupt erst möglich war. Die havarierte Yacht musste ihrem Schicksal überlassen werden.

Schluck. Wir wussten, dass es keine Garantie für eine sichere Überfahrt und ein heiles Ankommen gibt. So viele Unbekannte sind im Spiel, die schwer oder gar nicht zu kalkulieren sind. Wir hofften einfach das Beste und waren uns sehr bewusst, dass es nicht ohne Risiko ist, was wir da machen. Aber was ist schon ohne Risiko im Leben? Jetzt aber von einem Segler, den wir auch noch kurz kennengelernt haben, so etwas zu erfahren, bereitet Unbehagen und sehr großes Mitgefühl.

Hier einige Bilder unserer Atlantiküberquerung und der Ankunft in Tobago:

Baden im großen Becken:

 

 

Abendstimmung auf dem Atlantik:

 

Einer von den großen Fliegenden Fischen:

 

Diese Algen haben wir büschelweise "gefangen" - Fische deshalb leider nur einen:

 

So sieht Wache gehen im Idealfall aus:

 

Blick in die Passatbesegelung:

 

Schattenspiel:

 

Vorbereitungen für die Nacht treffen:

 

Die Nordspitze von Tobago - nach 17 Tagen herbeigesehnt:

 

 

Und wieder wird eine Gastlandflagge gesetzt. Die gelbe Flagge ("Q") zeigt an, dass wir noch nicht einklariert haben:

 

Ankerbucht Man of War Bay bei Charlotteville, Tobago:

 

Blick auf die Ankerbucht:

 

Mittwoch, 24.12.2014

Als wir gestern in die Ankerbucht kamen, dümpelten die "man suutje" von Dörte und Paul und die "Amarillo" von Isabella und Adolf schon hier. Wie schön, dass es hier ein Wiedersehen gibt!

Kurz nachdem der Anker gefallen war, sind wir gleich schwimmen gegangen. Was für eine Überraschung - das Unterwasserschiff erstrahlt in einem sauberen rot - keine Spur irgendeines Bewuchses. Nur unter dem Heck haben sich einige Entenmuscheln festgesetzt. Amazone hatte sozusagen einige Pickel am Hintern. Davon konnten wir sie relativ leicht befreien. Die Außenhaut hat auch gelitten und wirkt stellenweise mattiert. Ingo ist aber guter Dinge, dass sich das wieder aufpolieren lässt.

Wir sind gerade dabei, die Entenmuscheln abzupuhlen, da kommen Isabella und Adolf mit ihrem Schlauchboot vom Landausflug zurück. Die Wiedersehensfreude ist auf beiden Seiten groß. Gleich fahren wir an Land und treffen uns zu einem Weihnachtsessen.

Heute Morgen sind auch schon Dörte und Paul mit dem Schlauchboot vorbeigekommen. Zur Begrüßung hatten sie für uns eine Ananas dabei. Es gibt viel zu erzählen, das machen wir morgen, wenn wir auf der "man suutje" zum weihnachtlichen Kaffeetrinken eingeladen sind.

Jetzt können wir wieder ohne Unterbrechung schlafen, wobei heute Morgen um 7 Uhr der Wecker geklingelt hat. Es gab noch an Bord einiges aufzuräumen, zu sortieren und das Schlauchboot musste klargemacht werden, um an Land zu fahren um einzuklarieren. Zuerst musste die "Immigration" aufgesucht werden, anschließend der "Custom" - der Zoll. Jetzt haben wir einen weiteren Stempel im Reisepass mit dem handschriftlichen Zusatz "Amazone".

Internetzugang gibt es hier erst mal nur im Touristenbüro. Bequem von Bord aus ins Netz gehen und Berichte und Fotos hochladen, geht leider noch nicht. In dem Tourist Office konnten wir heute auch unsere vielen E-Mails und whatsapps lesen - DANKE! Es hat uns sehr gefreut, so viele schöne Nachrichten zu bekommen! Mit dem Beantworten kommen wir nicht so schnell hinterher, wir arbeiten aber daran.

Wir liegen hier in einer sehr geschützten, schönen Ankerbucht. Wir können es noch gar nicht richtig glauben, mit unserer Amazone hier her gesegelt zu sein. An dem vielen Grün kann ich mich gar nicht sattsehen. Der Ort Charlotteville ist klein und beschaulich, überhaupt nicht touristisch, die Menschen freundlich. Strahlender Sonnenschein, Papageien kreischen, Strand, Palmen, türkisblaues Wasser - Heiligabend mal ganz anders! Bescherung im ganz kleinen Rahmen gab es und auch ein Telefonat mit den Kindern. Im Salon sitzen ein paar kleine Weihnachtsmänner und ein paar Weihnachtskugeln (aus Metall!) sind auch an Bord.

Dienstag, 23.12.2014

 

Nach einer sehr anstrengenden Nacht und einem furiosen Finale mit einem Etmal von 139 Seemeilen fiel vor drei Stunden unser Anker in der Man of War Bay in Tobago. WIR SIND DA!!

So ganz ohne Squalls wollte man uns nicht davonkommen lassen, und so hat es uns in der letzten Nacht doch noch erwischt. Eine dunkle Regenwolke nach der anderen zog über uns hinweg, es goss wie aus Eimern und gab Windböen bis zu 8 Beaufort. Die See türmte sich unglaublich hoch auf, die Wellen brachen mit einem Donnergrollen an unserem Heck. Eine Welle ist in unser Cockpit eingestiegen - eine Premiere! Sie kam wie aus dem Nichts, hat mich von meinem Sitzplatz gewaschen und auf der anderen Seite der Cockpit am Süll stranden lassen. Das hat mich beeindruckt - diese Wucht und Geschwindigkeit, die dahinter steckten. Ich hatte keine Chance, mich noch irgendwo festzuhalten, es ging alles ruck-zuck. Zum Glück war ich angeleint und außer einem gehörigen Schrecken ist mir nichts passiert.

Wir haben unsere erste Atlantiküberquerung abgeschlossen. Es war eine sehr intensive Zeit; wir waren neugierig, auf das, was uns da draußen erwartet und wie wir damit fertig werden würden. Unsere Amazone, diese treue und tapfere Begleiterin, hat uns sicher durch die vielen Wellenberge und -täler gebracht. Die Stimmung an Bord war durchgängig sehr gut. Als anstrengend empfanden wir den Schlafmangel. Mehr als drei Stunden Schlaf am Stück waren nicht drin. Uns war immer bewusst, dass das, was wir hier gerade erleben durften, ganz Besonders und mit Worten schwer zu beschreiben ist, auch wenn ich es mit den täglichen "Berichten von hoher See" versucht habe.

Wir waren 17 Tage unterwegs, hatten nur 1 Tag Flaute und keinen Sturm. Man kann es schlechter treffen. Wir haben 2.096 Seemeilen zurückgelegt, das niedrigste Etmal betrug 91 Seemeilen, das höchste 139.

Die Karibik ist so groß wie das Mittelmeer. Vier Monate werden wir hier sein, dann beginnt hier die Hurrikansaison. Wir haben jetzt die Qual der Wahl, welche Inseln wir besuchen wollen. Es stehen ca. 700 zur Auswahl. Ende April brechen wir dann zur zweiten Atlantiküberquerung über die Azoren auf - Rolling home.

Montag, 22.12.2014, 12.00 Uhr

Position: 11° 43,6' N; 57° 46,6' W; 16. Etmal 134 sm, 163 sm Rest

Wir segeln weiterhin mit dem Idealfall-Passat, Wind aus Nordost in der Stärke von 5 bis 6 Beaufort, ab und zu gibt's auch mal eine Böe mit 7. Das hat uns schon wieder ein fettes Etmal eingebracht. Jetzt gerade entladen sich Regenschauer über uns, Ingo hat Wache und sitzt im warmen Regen. Die Amazone bekommt auf diese Weise endlich mal wieder eine Portion Süßwasser.

Die aufgewühlte, brodelnde See mit ihren vom Meeresleuchten erhellten Schaumkämmen zu beobachten, finde ich immer noch spannend. Es rauscht, gurgelt, und zischt, ab und zu bricht eine der etwa drei Meter hohen Wellen direkt an unserem Heck und Gischt spritzt ins Cockpit. Dann und wann knufft eine querlaufende Welle die Amazone unsanft in die Seite, dass es nur so poltert. Ein Fliegender Fisch hat sich ins Cockpit verirrt. Er zappelt und ringt nach Luft. Ingo befördert ihn zurück ins Wasser. Dieser Fisch hatte mehr Glück als seine Kameraden, von denen wir jeden Morgen drei bis sechs vertrocknet an Deck finden.

Es gibt hier an Bord untrügliche Anzeichen dafür, dass der Landfall - so der Fachausdruck fürs Ankommen - nicht mehr lange auf sich warten lässt. Der Bananen-Kronleuchter ist aufgefuttert, die Bücher sind gelesen, alle CDs gespielt, alle Witze erzählt. Wenn der Wind weiterhin so ideal weht, müssen wir uns vielleicht nur noch eine Nacht um die Ohren schlagen. Wenn er abnimmt, kämen wir bei Dunkelheit in der Ankerbucht bei Charlotteville im Nordwesten Tobagos an und könnten aber nicht ankern, da wir dann nicht sehen könnten, ob der Anker auf Sand oder Korallen fällt. Sand ist okay, Korallen nicht. Dann hieße es Rumtrödeln bis zum Tageslicht.

Gleich ist die neue Wettervorhersage da, dann wissen wir mehr. Das ist überhaupt an jedem Tag der spannendste Moment, wenn das "frische Wetter" da ist.

Sonntag, 21.12.2014, 12.00 Uhr

Position: 12° 0,5' N; 55° 30,8' W; 15. Etmal 137 sm, 297 sm Rest

Advent, Advent, kein Lichtlein brennt. Dafür weht der Passat, dieser mitunter etwas unstete Geselle, ganz gut. Mit 5 bis 6 Beaufort schiebt er uns seit gestern Abend unserem Ziel entgegen und hat uns das bisher höchste Etmal beschert . Das bedeutet auch, dass der Seegang uns wieder zu einer Berg- und Talfahrt einlädt. Amazone und Peter meistern das gemeinsam wunderbar, nur ab und zu ist eine kleine Korrektur erforderlich.

Für uns heißt es wieder aufpassen, hinterrücks geschubst zu werden ist jetzt wieder jederzeit möglich. Gut, dass ich gestern gebacken und vorgekocht habe, das wäre bei diesem Geschaukel beschwerlich und auch gefährlich. In einem Buch habe ich mal ein Foto gesehen, auf dem eine Bordfrau zu sehen war, die mit einem Gurt an ihrem Herd festgebunden war. Kein schöner Anblick für Frauenrechtler, aber sehr sinnvoll. Auf diese Weise hat man beide Hände frei, was bei der Küchenarbeit doch ein ziemlicher Vorteil ist. Ich bin nicht kurz angebunden, sondern versuche mich zwischen Niedergang und Herd zu verkeilen, um einen einigermaßen sicheren Stand zu haben. Es ist trotzdem ein arges Jonglieren, das kochende Wasser in den Becher und nicht daneben zu gießen.

Eine Erläuterung des Passats bin ich noch schuldig. Hier ist sie, aus dem Buch "Blauwassersegeln heute" von Rüdiger Hirche und Gaby Kinsberger ( Eine sehr empfehlenswerte Lektüre - falls jemand auf den Geschmack gekommen sein sollte.): "Der vorherrschende Wind ist der Passat. Die englische Bezeichnung in Erinnerung an frühere Zeiten, als dieser beständige Wind die Route bestimmte, auf der die Handelsschiffe um die Welt segelten, lautet "trade winds" oder einfach "trades". Im Idealfall ist der Passat ein beständiger, gleichmäßiger Wind mitttlerer Stärke, der aus östlicher Richtung zu beiden Seiten des Äquators weht. Die Passat-Zone erstreckt sich nördlich und südlich des Äquators zwischen 5° und 25° Breite. Dazwischen, direkt am Äquator, liegen die so genannten "Doldrums", eine Zone mit leichten, unbeständigen Winden und häufigen Flauten. Auf der Nordhalbkugel weht der Passat aus Ost/Nordost (Nordost-Passat), auf der Südhalbkugel aus Ost/Südost (Südostpassat)."

Im Moment haben wir hier also den Idealfall - beständiger, gleichmäßiger Wind mittlerer Stärke aus Nordost. Seit gestern reicht die Wettervorhersage sogar schon bis zum Ziel. Mit Glück bleibt es beim Idealfall, dann könnten wir am 23.12. in Tobago sein. Hier ist alles blau - die See, der Himmel, die Rettungswesten, die Sitzpolster und mein Trinkbecher auch. Wird Zeit, dass mal wieder etwas mehr Farbe ins Leben kommt. Ich glaub, ich bin auf Farbentzug.

Sonnabend, 20.12.2014, 12.00 Uhr

Position: 12° 16,0' N; 53° 11,1' W; 14. Etmal 126 sm, 434 sm Rest

Das war wieder eine dieser "Wünsch-Dir-Was-Nächte". Es gab mehrere Sternschnuppen, Wünsche hatte ich parat. Der Wind wehte konstant mit 4 bis 5 Beaufort, Peter hielt ordentlich Kurs. Alles gut. Jetzt sind wir bei 5 Beaufort mit der ausgebaumten Genua ziemlich flott unterwegs.

Wir befinden uns seit gestern Nachmittag im letzten Viertel des Törns. Beim "Großen Fressen" - dem Seemeilenfressen - wird jetzt die Nachspeise serviert. Es ist aber kein Eis, das wir so mir nichts dir nichts weglöffeln könnten. Nein, es gibt Ananas - als ganze Frucht. Da haben wir noch ein bisschen dran zu arbeiten, bis das Mahl beendet ist und die Musik aufspielen kann.

Gleich wird wieder Brot gebacken. Während ich diesen Text schreibe, geht der Hefeteig auf und die Backformen kommen bald in den Ofen. Der Schweiß rinnt jetzt schon in Strömen. Fisch steht übrigens immer noch nicht auf dem Speiseplan - die "Gelbe Wasserpest" verhindert jetzt schon seit einer Woche das Angeln.

Wachen gehen wir getrennt, Schlafdefizit ein bisschen aufholen geht auch nur einzeln, aber in der Zeit von 11 bis 19 Uhr sind wir meistens gemeinsam im Cockpit. Das ist die schönste Zeit des Tages. Wir essen gemeinsam, trinken Kaffee, schmieden Pläne, schweigen oder lesen und schaukeln unserem Ziel entgegen.

Freitag, 19.12.2014, 12.00 Uhr

Position: 12° 31,9' N; 51° 04,6' W; 13. Etmal 110 sm, 571 sm Rest

Am Etmal von 110 Seemeilen ist es schon zu erkennen: Der Wind war gestern Nachmittag, am Abend und in der Nacht wie vorhergesagt mau. In Beaufort ausgedrückt 3 Windstärken. Hin und wieder starteten wir den Motor, dann und wann briste es etwas auf und unter ausgebaumter Genua ging es durch die Nacht. Am heutigen Vormittag meldete sich der Wind mit ungefähr 4 Beaufort zurück, die Passatbesegelung ist jetzt wieder dran. Die Amazone zieht mit 5 bis 6 Knoten dahin und wiegt sich in den Wellen.

In den nächsten Tagen soll uns laut gestriger Vorhersage der Wind mit 4 - 5 Beaufort voranbringen. Gleich bekommen wir die aktuelle Vorhersage, mal sehen, ob es dabei bleibt.

In den letzten Tagen hatten wir immer mal wieder kurzen Besuch verschiedener Seevögel. Sie umkreisen uns, schauen nach dem Rechten und fliegen wieder davon. Bis auf einen - der zeigte ein ungesundes Interesse an unserer Mastspitze. Hier ist die Amazone sehr empfindlich, weil die filigranen Messinstrumente (Windrichtung und -stärke) sich dort befinden. Es wäre äußerst unangenehm, wenn diese Geräte durch einen Vogel beschädigt würden. Wir hätten nichts dagegen, wenn ein erschöpfter Vogel eine Weile mit uns reisen möchte, aber bitte nicht auf der Mastspitze. Und einen erschöpften Eindruck machte er auch gar nicht, eher interessiert. Da oben dreht sich und blinkt so einiges, das wirkt vielleicht anziehend.

Wir schalten unsere elektrische Sirene an, tuten wie wild mit dem Nebelhorn, rufen laut und wedeln mit Handtüchern, um das Tier von seinem Vorhaben abzubringen. Wieder und wieder umkreist und beäugt er die Mastspitze. Schließlich wird es ihm zu dumm, er fliegt davon, und wir sind erleichtert. Etwas später bemerken wir, dass wir vergessen hatten, die Positionslampe (die Dreifarbenlaterne weiß/rot/grün), die ein segelndes Fahrzeug nach Sonnenuntergang zu führen hat, und die sich ebenfalls im Masttopp befindet, noch eingeschaltet war. Vielleicht hatte dies den Vogel neugierig gemacht.

Donnerstag, 18.12.2014, 12.00 Uhr

Position: 12° 46,6' N; 49° 13,4' W; 12. Etmal 118 sm, 681 sm Rest

Im Laufe des Abends flaute der Wind leider immer mehr ab, und der Volvo durfte auch mal wieder etwas tun. Diese ganze Dieselbunkerei soll ja auch nicht vergebens gewesen sein. So kamen wir ganz gut voran, unserem Ziel Meile für Meile näher. Je mehr der Wind abnahm, desto mehr beruhigte sich auch die See. Und es gab sogar vier Sternschnuppen für mich! Damit es nicht "Peterchens Mondfahrt" wurde, musste ich hin und wieder leicht korrigierend eingreifen. Bei diesen gelben Pflanzenteppichen kann er eben nicht zeigen, was er wirklich kann. Leider verhindert dieses Zeug auch heute noch das Angeln. Seit fast einer Woche begleitet es uns nun schon. Ob wir auf diesem Törn überhaupt nochmal Angeln können?

Das letzte Drittel dieses Marathon-Törns ist angebrochen. Beim "Großen Fressen" - dem Seemeilenfressen - sind wir sozusagen bei der Käseplatte angelangt, die Nachspeise steht schon bereit. Mit jeder zurückgelegten Seemeile wird es ein wenig wärmer. Die Temperatur beträgt tagsüber 31 oder 32° Grad in der Kajüte. Gestern war wieder Backtag, was bei diesen Temperaturen eine schweißtreibende Angelegenheit ist. Gut, dass gestern auch Duschtag war, das brachte ein wenig Erfrischung.

Gerade eben hatten wir netten Funkkontakt mit einem Segler, der etwa zehn Meilen voraus segelt. Wir hatten sein AIS-Signal auf dem Plotter entdeckt - seit Tagen das erste Signal! Und - in welchem Land liegt wohl sein Heimathafen? Richtig - in Frankreich! Er segelt nach Barbados, vielleicht treffen wir ihn irgendwann irgendwo.

Der Volvo schweigt zurzeit - der Wind hat etwas zugenommen, mit der ausgebaumten Genua geht es mit vier Knoten gemächlich voran.

Neben Backen, Kochen, Duschen und Segel wechseln kommen wir auch zum Lesen. Meistens am Nachmittag, wenn alle Pflichten erledigt sind. In dem Buch "Handbuch für den Atlantischen Ozean" von Jane Russell lese ich: "Das größte Problem während dieser mehrere Wochen dauernden Überfahrt ist die Aufrechterhaltung der Moral innerhalb der Crew. Viele, die von einer Rundreise um den Nordatlantik zurückkehren, betrachten diesen Abschnitt im Nachhinein als den Höhepunkt der Reise. Für die meisten wird die Atlantiküberquerung die längste Ozeanetappe ihres Lebens bleiben. Ein Glücksfall also, dass sie meist zu den angenehmsten gehört." Ob wir nach der Rückkehr diesen Abschnitt als "den" Höhepunkt der gesamten Reise bezeichnen werden, weiß ich jetzt natürlich noch nicht. Auf jeden Fall ist er etwas ganz Besonderes für uns - davon können wir unseren Enkeln noch erzählen! Wir fühlen uns in unserem Mikrokosmos sehr wohl - um unsere Moral ist es bestens bestellt!

Mittwoch, 17.12.2014, 12.00 Uhr

Position: 12° 58,4' N; 47° 12,7' W; 11. Etmal 121 sm, 799 sm Rest

Jetzt müssen wir nur noch von Teneriffa zu den Kap Verden segeln, entfernungstechnisch gesehen, dann sind wir da!

Wie vorhergesagt, hat der Wind im Laufe des gestrigen Tages auf 4 bis 5 Beaufort abgeflaut. Mit ausgebaumter Genua segeln wir in den Sonnenuntergang und durch die Nacht. Vorm Dunkelwerden verkleinern wir aus Sicherheitsgründen regelmäßig die Segelfläche. Wir sind ja nur zu zweit und wenn sich ein Squall ankündigt, muss es mit dem Segelbergen sehr schnell gehen. Wenn wir also nur die Rollreffgenua ausgerollt haben, kann ich diese sehr schnell einrollen, zuvor den Motor starten und das Unwetter über uns hinwegziehen lassen. Aber was ist eigentlich ein Squall? Es sind schwarze Wolken, die Wind bis zu 8 Beaufort und sintflutartige Regengüsse mit sich bringen. Blitz und Donner fehlen, und der ganze Spuk ist meist auch schnell wieder vorbei. Am Tage kündigt sich ein Squall durch engbegrenzte schwarze Wolken , die vom Himmel bis zum Wasser reichen, an. Nachts erscheint ein Squall als Radarecho auf dem Plotterdisplay.

In der letzten Nacht waren mehrere Squalls als Radarecho zu sehen. Die Maschine hatte ich startklar, aber welch glücklich Geschick - die Wolken zogen vor bzw. hinter uns durch. Peter hat mir die Arbeit an der Pinne abgenommen. Ab und zu habe ich ihn gefragt: "Na Peter, wo soll es denn hingehen?" Das reichte meist schon und er hielt wieder Kurs. Ansonsten musste ich nur hin und wieder etwas korrigierend oder unterstützend eingreifen, alles kein Problem und ruck zuck war meine Nachtwache beendet.

Jetzt segeln wir wieder unter der Passatbesegelung - also mit zwei ausgebaumten Vorsegeln. Die gestrige Wettervorhersage hat auch für die nächsten Tage Wind von 4 bis 5 Beaufort aus östlicher Richtung vorhergesagt. Gleich bekommen wir "frisches Wetter", mal sehen, ob es dabei bleibt.

Zum Thema "Schädlinge an Bord" hatte ich ja schon Kakerlaken und Rüsselkäfer erwähnt, auch Mausefallen haben wir dabei. Aber gestern hat Ingo einen Artikel gelesen, der mir einiges Unbehagen bereitet. Dort stand: "Ratten sind sehr gute Schwimmer, und sie können über die Ankerkette an Bord klettern. Am besten fängt man sie in einer Lebendfalle und harpuniert oder erschlägt sie." Eine Harpune haben wir nicht dabei. Erschlagen wird hier an Bord höchstens mal ein zuvor betäubter Fisch aber sonst niemand. Wie habe ich mir das überhaupt vorzustellen? Die Ratte, wenn sie denn überhaupt in eine Falle ginge, verharrt dort brav und still, bis Ingo ihr eins überbrät? Ich glaube, ich warte auf die nächste Sternschnuppe, mir ist da gerade ein Wunsch eingefallen.

Heute habe ich mal das Cockpit verlassen und habe einen kleinen Rundgang an Deck gemacht. Ich musste mal raus - mal was anderes sehen.

Dienstag, 16.12.2014, 12.00 Uhr

Position: 13° 12,5' N; 45° 9,8' W; 9. Etmal 125 sm, 920 sm Rest

Auch die letzte Nachtwache war anstrengend. Aber diesmal habe ich Peter nicht bei der Arbeit überwacht und hin und wieder eingegriffen. Nein, diesmal durfte ich selbst steuern. Und zwar wegen der immer noch vorhandenen gelben "Wasserpest", die sich in Peters Ruderblatt verfangen oder das Ruderblatt an die Wasseroberfläche schwingen lässt, wo es natürlich wirkungslos ist. Zunächst kam die Windfahnensteuerung noch ganz gut zurecht, aber dann luvte Amazone immer mehr an, und ich musste Peter aus dem Dienst entlassen. Das ist für mich insofern fatal, als das ich ihn nicht wieder eingestellt bekomme. Ingo hantiert und macht in einer solchen Situation und bekommt es wieder hin. Ich aber nicht. Wecken wollte ich Ingo auch nicht, der elektrische Autopilot sollte geschont werden, blieb also nur noch die Möglichkeit, selbst die Pinne in die Hand zu nehmen.

Da war ich ja neulich noch ganz wild drauf - selbst steuern, geil! Na ja, nach vier Stunden, zum Wachwechsel, war mein Bedarf, an der Pinne zu sitzen, gedeckt. Ingo hat Peter gleich wieder in Gang bekommen, und seitdem arbeitet die Anlage ohne Tadel. Amazone und Peter könnten ein Traumpaar sein, wenn, ja wenn nicht dieses gelbe Zeugs hier überall herumschwimmen würde. Davon habe ich noch nie etwas gehört oder gelesen. Ist das hier immer vorhanden oder ist es dieses Jahr besonders viel und vor allem, was genau ist das eigentlich. Ich muss das mal googlen.

Die Wettervorhersage hatte für heute Vormittag östlichen Wind von 5 Beaufort mit Böen von 6 bis 7 vorhergesagt. So kam es dann auch, Wind und Seegang nahmen zu. Zu meiner Überraschung hat Peter diese Veränderungen sehr gut gemeistert. Ab und zu hat er enorm angeluvt (hat in die Richtung gesteuert, aus der der Wind kommt). Ich habe ihn beobachtet, wie er vom rechten Pfad abkam, ihn machen lassen, gut zugeredet und gehofft, dass er sich "wieder einkriegt". Und tatsächlich - er kam brav auf die ideale Kurslinie zurück. Unser Peter hat also menschliche Züge...

Die hohe See hat Amazone einmal so hart und weit auf die Seite gelegt, dass die Fenster im Aufbau im unteren Drittel im Wasser waren. Es ist aber nichts passiert. Zum Glück saß gerade niemand auf der Toilette, die- oder derjenige wäre glatt mit der Klobrille hinweggefegt worden. Bei diesem Seegang muss man ständig damit rechnen, dass man hinterhältig und sehr heftig geschubst wird. Bestes "Platzwundenwetter" - da heißt es immer, immer auf der Hut sein und immer mit einer Hand irgendwo festhalten. Bei solchen Bedingungen wird eine so einfache Sache wie Zähneputzen zum Abenteuer.

Gestern hatte ich einen Traum - ich war joggen am Werdersee. Mein Gott.

Montag, 15.12.2014, 12.00 Uhr

Position: 13° 30,5' N; 43° 2,3' W; 9. Etmal 131 sm, 1.045 sm Rest

Hurra, heute ist Bergfest! Die Hälfte der Strecke ist geschafft. Wir haben weniger als die Hälfte vom Proviant, Wasser und Diesel verbraucht. Nur das frische Obst und Gemüse gehen rapide zur Neige, da müssen demnächst die Konserven dran glauben. Die Schapps waren zu Beginn der Reise vollgestopft mit Knäckebrot, Keksen, Kaffee, Tee, Milch, Müsli etc. Jetzt klaffen große Lücken, was leider den Nachteil hat, dass bei diesem Seegang, der hier herrscht, einiges klappert, klopft und nervt. Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, muss "beruhigt" werden, weil das Gepolter und Geklapper am Schlafen hindert. Wir haben heute Morgen umgestaut, Lücken geschlossen und - so hoffen wir - für Ruhe gesorgt.

Es ist schön, hier zu sein - es wäre aber auch schön, irgendwann anzukommen. Die Reiseführer werden schon hervorgeholt und die schönen Bilder von Tobago lassen die Vorfreude riesig werden. U. a. heißt es da: "Die kleine Idylle mit schönen Stränden, fantastischen Tauchgründen und dem ältesten Regenwaldschutzbiet des Westens ist ein Paradies für Naturfreunde." und weiter: "Hier findet man Ruhe und Beschaulichkeit, Natur pur, eine Unterwasserwelt, die zu den aufregendsten der Karibik zählt, und für jeden Gast mehr als 1 km herrlichen Strandes."

Die letzte Nachtwache war ziemlich anstrengend - an Dösen oder im Schein der kleinen roten Lampe zu lesen, daran war nicht zu denken. Konfuser Seegang und der böige Wind von 6 Beaufort schräg von achtern führten zu unangenehmen Bootsbewegungen. Manchmal holte Amazone soweit über, dass das Wasser übers Deck rauschte. Das war auch für unseren Peter nicht leicht. Ihn zu bewegen, auf Kurs zu bleiben, nicht übers Ziel hinauszuschießen, damit ja nicht das ausgebaumte Vorsegel back steht (den Wind von der falschen Seite bekommt), Kompass, Windrichtungsanzeige und Display vom Plotter im Blick behalten - damit war ich sehr gut beschäftigt, und im Nu war schon wieder Wachwechsel.

Seit drei Tagen fahren wir durch riesige gelbe Tang- oder Algenteppiche. Zunächst haben wir deshalb das Angeln aufgegeben, weil sich dieses Zeug im Köder verheddert hatte. Jetzt haben wir festgestellt, dass Peters "Eierei" auf diese Pflanzen zurückzuführen ist. Büschelweise hängt es im Ruderblatt der Selbststeueranlage und verhindert so eine einwandfreie Funktion. Sorry Peter, Du kannst wirklich nichts dafür! Im Moment steuert unser alter Autopilot, und wir hoffen, dass diese Pflanzen bald wieder verschwinden.

Die neue Wettevorhersage haben wir schon - es bleibt bei 4 bis 5 Beaufort, in Böen 6 aus Ost.

Was machen die Fliegende Freunde? Sie wagen sich jetzt schon bis ins Cockpit! Beim Wachwechsel letzte Nacht fliegt so ein kleiner Kerl zwischen Ingo und mir hindurch und landet unsanft am Kajütaufbau. Er hat den Aufprall offenbar überlebt und Ingo befördert ihn dorthin, wo er herkam. Ein großes Exemplar lag wieder auf dem Vordeck - der Kandidat war allerdings schon steifgetrocknet. Leichen pflastern unseren Weg, sozusagen.

Sonntag, 14.12.2014, 12.00 Uhr

Position: 13° 52,8' N; 40° 49,80' W; 8. Etmal 130 sm, 1.176 sm Rest

Wie vorhergesagt, frischte der Wind auf 5 Beaufort auf, und wir düsten mit der Passatbesegelung flott durch die Nacht. "Peter" hält die Amazone weiterhin relativ stabil auf Kurs. Er hat jetzt auch einen Nachnamen: "Eiermann" - er eiert eben zwischendurch herum. An Land hieße das: Schlangenlinie gefahren - Führerschein in Gefahr. Aber nein, wir wollen mal nicht so streng mit ihm sein. Weder Ingo noch ich könnten bei diesem Seegang auch nur annähernd so genau den Kurs halten, wie er das macht. Wir sind froh, dass es ihn gibt.

Während fast jeder Nachtwache sehe ich Sternschnuppen. Allmählich gehen mir die Wünsche aus.

Besonders wichtige Wünsche kommen dann eben mehrmals dran. Im Salon baumelt seit unserer Abreise ein Bananen-Kronleuchter. Wir hatten eine halbe Bananenstaude mit etwa 40 Bananen gekauft und diese an dem Haken, an dem sonst die Petroleumlampe hängt, festgebunden. Seit zwei Tagen ernten wir fleißig. Wie die Wurzeln und die Tomaten, die wir auf dem Markt in Mindelo gekauft haben, schmecken auch die Bananen sehr lecker, zuckersüß.

Eher zufällig haben wir festgestellt, dass heute der 3. Advent ist. Advent - das ist für uns so weit weg, wie für die Daheimgebliebenen Sonnencreme, Oben-Ohne-Segeln und Nachttemperaturen von 26° Celsius. Immerhin haben wir in Mindelo einige schöne Fotos von Adventsgestecken und Weihnachtsmärkten per Mail geschickt bekommen, und wir wünschen allen eine schöne Adventszeit!

Der Wind kommt zurzeit genau von achtern, der Seegang schräg von achtern. Unser Mast bewegt sich im Rhythmus der Wellen wie das Pendel einer Uhr. Der Laptop, auf dem ich gerade schreibe, steht im Salon auf einer rutschfesten Unterlage, sonst bekäme der Begriff "Computerabsturz" eine ganz neue Bedeutung. Die Wettervorhersage ist weiterhin günstig und wir kommen gut voran.

Zum Schluss noch die aktuelle Lage bei den Fliegenden Fischen: Heute Morgen hat Ingo auf dem Vordeck wieder ein sehr großes Exemplar gefunden. Leider ist der Preis schon vergeben und der Wettbewerb beendet, das hat sich wohl noch nicht herumgesprochen. Jedenfalls schließe ich Nachts immer das kleine Aufstellfenster im Bad - denn den Preis für "Wer-Fliegt-Als-Erster-In-Das-Waschbecken-Der-Amazone" wollen wir nicht vergeben!

Sonnabend, 13.12.2014, 12.00 Uhr

Position: 14° 08,9' N; 38° 35,8' W; 7. Etmal 120 sm, 1.306 sm Rest

Durch die letzte Nacht sind wir geschlichen. Mehr als drei Knoten Fahrt war bei dem schwachen Wind nicht drin. Die ausgebaumte Genua flappte und unser "drittes Besatzungsmitglied" Peter, dieses kleine Sensibelchen, hatte einige Mühe, die Amazone unter diesen Bedingungen einigermaßen auf Kurs zu halten. Gegen Morgen besserte sich die Lage, der Wind frischte auf, und es ging flotter voran. Immerhin ergab es noch ein dreistelliges Etmal.

Die Wettervorhersage für die nächsten Tage ist gut. Der Wind, der jetzt mit ungefähr 3 bis 4 Beaufort direkt aus Osten weht, soll etwas zunehmen und relativ konstant sein. Wir laufen jetzt unter der Passatbesegelung, d. h. mit zwei Vorsegeln. Die Amazone rollt im Seegang mal mehr und mal weniger heftig. Das hat auch mit ihrer Bauweise etwas zu tun - das schmale Heck begünstigt die Rollbewegungen.

Seit fast einer Woche haben wir kein AIS-Signal eines anderen Schiffes oder eines Segelbootes mehr auf dem Plotter ausmachen können. Der letzte Kontakt war am zweiten Tag nach unserer Abreise. Ein Fischer drehte seine Kreise, und wir sind ihm ausgewichen. Riesig viel Wasser hier, weit und breit nur zwei Fahrzeuge und die beiden kommen sich so nahe. Unglaublich, oder?

Nachts läuft das Radargerät, auf dem Display des Plotters sind die Radarechos als rosa Punkte, Halbkreise oder große Flächen zu sehen. Rosa Punkte könnten andere Boote sein, hier sind sie die Spitzen der ganz hohen Wellen, Halbkreise wären andere Schiffe und große Flächen stellen Regengebiete dar. Gestern Abend gab es achteraus eine solche große Fläche, hatte ein bisschen die Form des afrikanischen Kontinents. Eingeholt hat sie uns nicht, alles trocken geblieben - der Regen fiel ins Meer.

Etwas Neues von den Fliegenden Fischen? Ja! Es gibt wieder einen 1. Preis, diesmal in der Disziplin "Größter-Je-An-Deck-Der-Amazone-Gelandeter-Und-Nicht-Zurück-Ins-Wasser-Gezappelter-Fliegender-Fisch". Das Prachtexemplar hatte die Größe einer kleinen Makrele. Sein Rücken schimmerte bläulich, der Bauch ist silberfarbig. Wir haben ihn heute nach Sonnenaufgang an Deck gefunden. Auch er hat eine Seebestattung bekommen. Es ist auch wieder ein (kleiner) Fliegender Fisch auf dem Kajütsdach gelandet. Der Sieger dieses Wettbewerbs steht aber ja schon fest. Ein zweiter Preis ist nicht vorgesehen und so bleibt für den armen Kerl nur das nasse Grab. Tagsüber können wir die Fliegenden Fische beobachten. Sie schießen plötzlich aus dem Wasser, schwirren mit ungeheuer schnellen Flügelschlägen knapp oberhalb der Wasseroberfläche dahin, um einige Meter weiter wieder abzutauchen. Seltsame Tiere.

Aber nicht nur Fliegende Fische besuchen uns regelmäßig. Heute kam ein Weißschwanz-Tropikvogel, gut zu erkennen an seiner überlangen Schwanzfeder, vorbeigeflogen und drehte einige Runden um die Amazone.

Freitag, 12.12.2014, 12.00 Uhr

Position: 14° 22,4' N; 36° 32,9' W; 6. Etmal 123 sm, 1.426 sm Rest

Gegen Abend frischte der Wind auf, und wir segelten im Mondschein mit der ausgebaumten Genua durch die sternenklare Nacht. Die Windfahnensteuerung, die wir "Peter" getauft haben (nach dem Konstrukteur Peter Foerthmann), hält die Amazone sehr gut auf Kurs. Nur ganz selten sind kleine Korrekturen nötig. Als der Wind im Laufe des Vormittags etwas drehte und wir einen Halbwind-Kurs bis Raum-Schots-Kurs hatten, setzte Ingo auch  das Großsegel. Wir düsen jetzt mit 5 bis 6 Knoten durch das extra-blaue Wasser. Der Seegang ist moderat, die Sonne scheint.

Heute war wieder Back-Tag. Aus einer Flasche Mehl kann ich zwei Brote backen. Eines ist ein Zwiebel-Knoblauch-Brot. Zwiebeln und Knoblauch sind gesund, lange haltbar und unser Verbrauch ist beeindruckend. Etwaiger Mundgeruch o. ä. stört hier an Bord niemanden, andere Menschen, die sich daran stören könnten, sind über 1.200 Kilometer weit entfernt (Kap Verden), bzw. 2.600 Kilometer (Tobago). Wir sind heute den siebten Tag unterwegs, solange nonstop wie noch nie zuvor. 1/3 der Strecke liegen in unserem extra-tiefen und wunderschön blauem Kielwasser.

Gibt's etwas Neues von den Fliegenden Fischen? Ja! Erstmals hat es ein Exemplar bis auf das Kajütsdach geschafft. Dafür gibt es den 1. Preis im "Höher-Weiter-Und-Schon-Vertrocknet"-Wettbewerb mit anschließender Seebestattung.

Die Bordroutine hat sich eingestellt, zu den Wachablösungen werden wir schon ohne Weckruf wach. Allerdings haben wir uns selbst einen Schwierigkeitsgrad eingebaut: In Tobago müssten wir wieder an der Uhr drehen, und zwar drei Stunden zurück. Damit sind wir dort fünf Stunden hinter der Zeit in Deutschland zurück. Wir haben uns überlegt, schon jetzt auf der Reise die Uhr um eine Stunde zurück zu stellen, bleiben dann noch zwei am Ziel. Zeit geschenkt bekommen, ist ja eigentlich etwas Schönes. Wenn man Wache hat und sich auf die Ablösung und die Koje freut, eher nicht. Deshalb haben wir die "Amazonen-Zeit" gestern Nachmittag eingeführt, als wir beide munter im Cockpit in der Sonne saßen.

Wenn wir nicht gerade getrennt Wache gehen oder einer versucht, sein Schlafdefizit ein bisschen auszugleichen, reden wir viel miteinander. Über Vergangenes, das Hier und Jetzt , über die Zukunft, über alles Mögliche. Es wird auch viel gelacht, manchmal auch ein bisschen geweint (nur ich!). Segeln - der kürzeste Weg zur Dir selbst.

Donnerstag, 11.12.2014, 12.00 Uhr

Position: 14° 36,6' N; 34° 26,1' W; 5. Etmal 112 sm, 1.538 sm Rest

Es läuft nicht ganz rund. Der Server unseres Satellitentelefons, unserer Nabelschnur zum Land, hatte gestern offenbar Probleme. Wir konnten am Nachmittag die Wettervorhersage nicht bekommen. Unser Homeoffice in Person von Henning und Malte war schon besorgt, weil kein Bericht von hoher See per Mail bei ihnen eingegangen war. Wir hatten den Bericht gestern Nachmittag abgeschickt, angekommen ist er dann erst heute Vormittag. Mit der Wettervorhersage hat es heute wieder geklappt, und dieser Bericht kommt hoffentlich auch pünktlich zu Hause an.

Das Problem scheint also gelöst und lag zum Glück nicht an unserer Hard- und Software an Bord. Zu dieser Erkenntnis konnten wir leider erst heute kommen. Gestern hatte Ingo noch den Fehler hier stundenlang vergeblich gesucht.

Heute Nacht gab es ein weiteres Problem: Es piept dreimal kurz, dann ist die Amazone ohne Strom für die Navigationsinstrumente, ein Blackout sozusagen. Grund war der Motor des elektrischen Autopiloten - er hat einen Kurzschluss verursacht. Ingo hat die Sicherung des Sicherungsautomaten wieder reingedrückt, so dass alle Navigationsgeräte wieder funktionierten - bis auf den erst ein Jahr alten Stellmotor des Autopiloten. Dass der Stellmotor vielleicht Probleme mit seinem Getriebe haben könnte, das im Wesentlichen aus Plastikzahnrädchen besteht, hatten wir befürchtet. Dass sein Motor den Geist aufgeben könnte, damit hatten wir nicht gerechnet. Wir haben einen zweiten, sehr sehr alten dabei und dieser Oldie nimmt dann klaglos den Dienst auf. Er kennt das schon - letztes Jahr hat er seinen ersten Nachfolger auf dem Weg nach Norwegen vertreten müssen. Dieser war kurz nach Fahrtantritt unpässlich und knirschte nur noch laut.

Immerhin frischte der Wind in der Nacht auf, so dass wir mit der ausgebaumten Genua um die 4 - 5 Knoten Fahrt machten. Am Vormittag haben wir den Gennaker gesetzt, dadurch machten wir um die 6 Knoten Fahrt. Leider mussten ihn aber nach einer Stunde wieder einrollen, weil er wegen des Seegangs oft einfiel und doch sehr am Rigg zerrte. Jetzt segeln wir wieder mit der ausgebaumten Genua bei raumem Wind von etwa 4 Beaufort und kommen mit 4 - 5 Knoten einigermaßen voran. Unseren Oldie-Autopiloten schonen wir - die Windfahnensteuerung hält die Amazone auf Kurs. Sie benötigt zwar keinen Strom, aber bei sehr leichtem Wind kann sie nicht so exakt steuern.

Ein großer Fliegender Fisch hatte gestern Nacht auch ein Problem, das er allerdings gelöst hat: Mit einem "Plopp" war er an Deck gelandet und hat sich tatsächlich zurück ins Wasser gezappelt. Gratulation!

Die aktuelle Wettervorhersage sagt weiterhin eher schwache Winde um 4 Beaufort für die nächsten Tage voraus. Langweilig wird es uns nicht - an Bord ist alles wohlauf!

Mittwoch, 10.12.2014, 12.00 Uhr

Position: 14° 52,8' N; 32° 31,7' W; 4. Etmal 91 sm, 1.650 sm Rest

Schon etwas deprimierend, ein zweistelliges Etmal. Immerhin sind es noch 91 Seemeilen geworden, da in der Nacht gegen 4.00 Uhr etwas Wind aufkam. Beim Wachwechsel im fahlen Mondlicht hat Ingo das Großsegel gesetzt und die Genua ausgerollt. Mit ca. 4 Knoten zuckelten wir durch die Nacht, und gegen Morgen nahm der Wind noch leicht auf 3 bis 4 Beaufort zu. Unsere Strategie, weiter südlich ein bisschen Wind zu bekommen, schien aufgegangen zu sein. Leider war die Freude nur von kurzer Dauer, im Laufe des Vormittags nahm der Wind wieder ab. Geduld ist gefragt. Nach der letzten Wettervorhersage, die wir gestern Abend bekommen haben, soll heute der Tag mit dem wenigsten Wind sein. Ab morgen geht es vielleicht schon besser voran.
Ich habe derweil ein Zwiebelbrot gebacken, es duftet herrlich.

Dienstag, 09.12.2014, 12.00 Uhr

Position: 15° 35,4' N; 31° 00,4' W; 3. Etmal 100 sm, 1.741 sm Rest

Dieses große Schwachwindgebiet, in dem wir uns seit gestern befinden, hätten wir gerne einige Seemeilen achteraus gelassen. Leider hat das nicht geklappt - wir sind mittendrin und dass wohl noch bis Freitag. Bei 2 bis 3 Windstärken hängen das Großsegel und die Genua nur lustlos herum. Durch die Schiffsbewegungen, verursacht durch die stetige Atlantikdünung, flappen und knallen sie enorm. Das geht nicht nur aufs Material, sondern auch gehörig auf die Nerven. Irgendwann im Laufe der Vormittags schläft der Wind ein, und wir nehmen das Großsegel herunter und rollen die Genua ein. Wir starten den Motor, um bei geringer Drehzahl wenigstens etwas Fahrt im Schiff und das Gefühl zu haben, es geht voran, wenn auch nur im Schneckentempo. Auf der Suche nach dem Passat, der uns hier eigentlich mit 5 - 6 Beaufort voranbringen sollte, schleichen wir mit 3,5 Knoten Fahrt durchs Wasser (4 Knoten über Grund). Wir fahren seit gestern Abend Kurs 245° - also südlicher als ursprünglich, in der Hoffnung, weiter südlich mehr Wind zu erwischen.

Eine Flaute ist schwer auszuhalten. Eine kleine Abwechslung brachte da ein Bad im Atlantik. Das war eine herrliche Erfrischung. Anschließend eine schöne Dusche, eine Tasse Kaffee, ein paar Kekse - und schon sieht die Welt wieder anders aus.

Montag, 08.12.2014, 12.00 Uhr

Position: 16° 15,2' N; 29° 19,3' W; 2. Etmal 113 sm, 1.841 sm Rest

Am späten Nachmittag haben wir gestern mal wieder Anglerglück gehabt. Eine große Goldmakrele ist auf den Köder hereingefallen und hat herzhaft zugebissen. Wir haben dem Tier etwas hochprozentigen Schnaps ins Maul gegeben, so dass es sofort betäubt war und keinen Widerstand mehr leisten konnte. Als es in unserem Cockpit lag und uns mit seinem großen, klaren Auge vorwurfsvoll ansah, bekam ich ein schlechtes Gewissen, und als Ingo das Messer ansetzte, sagte er zu dem Tier: "Guck mich doch nicht so an." Beim Einkaufen im Supermarkt legen wir ohne einen Gedanken an die Tiere zu verschwenden die tiefgefrorenen Teile, die nicht mehr wie ein Fisch aussehen, in unseren Einkaufswagen. Auge in Auge mit dem getöteten Wesen, ist es etwas ganz anderes. Wie dem auch sei, er hat sehr gut geschmeckt. Heute brauchen wir nicht zu angeln, denn es ist noch ein großes Stück Filet in der Kühlung.

Aus dem galoppierenden Mustang mit Schaum vor dem Maul ist im Laufe des gestrigen Abends ein locker trabender Gaul geworden. Als der Gaul in der Nacht immer langsamer wurde und schon zu grasen anfing, haben wir für eine kurze Zeit den Motor mit niedriger Drehzahl mitlaufen lassen.

Wir bekommen jetzt immer abends die aktuelle Wettervorhersage. Dieser konnten wir entnehmen, dass das große Schwachwindgebiet, das eigentlich einige Seemeilen achteraus sein sollte, schneller vorangezogen ist, als zunächst vorhergesagt. Mindestens bis Donnerstag werden wir wohl mit sehr wenig Wind auskommen müssen. Jetzt gerade weht ein laues Lüftchen, und wir kommen mit dem Großsegel und der ausgerollten Genua bei halbem Wind mit 4 bis 5 Knoten einigermaßen voran.

An Bord ist alles wohlauf.

Sonntag, 07.12.2014, 12.00 Uhr

Position: 16° 31,8' N; 27° 23,0' W; 1. Etmal 132 sm, 1.954 sm Rest

Leider konnte ich nicht mehr alle Mails und whatsapp-Nachrichten beantworten, die wir zum Start der Atlantiküberquerung gestern noch bekommen haben, weil die Internetverbindung plötzlich nicht mehr möglich war. Das Netz ist auf den Kap Verden extremen Schwankungen unterworfen, was Verfügbarkeit und Geschwindigkeit angeht.

Deshalb bedanken wir uns an dieser Stelle für die vielen guten Wünsche, die uns begleiten. Es tut gut zu wissen, dass so viele Menschen uns die Daumen drücken!

Da war er nun - der Moment des Leinenloswerfens für den Marathon über den Atlantik. Das "Große Fressen" - Seemeilenfressen - konnte beginnen. Laut Plotter liegen 2.096 Seemeilen vor unserem Bug. So ist es wohl mit den großen Momenten im Leben: sie werden lange ersehnt und wenn sie dann da sind, sind sie gar nicht so spektakulär und ruck-zuck auch schon vorbei. Es war auf jeden Fall sehr windig, es stand ordentlich Schwell und Strömung im Hafen. Die Leinen waren alle los, nur ich musste über den Bug noch an Bord klettern. Das war aber gar nicht so einfach. Amazones Bug schaukelte wild auf und ab. Sie erinnerte mich in diesem Augenblick an einen wilden Mustang, der Angst um seine Freiheit hat. Letztlich bin ich gut an Bord gekommen, eine andere Seglerin hat mir bei der Zähmung von "Blue Beauty" geholfen und uns eine gute Reise gewünscht. Der Skipper hat kräftig rückwärts gegeben, die Reise konnte beginnen.

Zwischen den Inseln Santo Antao und Sao Vicente muss wegen des hier auftretenden Düseneffekts mit Wind von bis zu 8 Beaufort gerechnet werden. Darauf waren wir vorbereitet, haben die Genua nicht ganz ausgerollt und haben uns vom Düseneffekt hinaus auf den Atlantik schieben lassen. "Schieben lassen" klingt sehr gemütlich, Hexenkessel trifft es eher. Die Wellen türmten sich zu wahren Gebirgen auf, die lärmend hinter Amazones Heck brachen. Neptun hat sich nicht damit zufrieden gegeben, hier und da ein bisschen Gischt an Deck zu spucken - diesmal spuckte er das Wasser gleich ins Cockpit. Schöner Nebeneffekt dieser Rauschefahrt: auf der Logge - unserem Geschwindigkeitsmesser - sah ich sagenhafte, unglaubliche, phantastische, noch nie dagewesene 9,1 Knoten Fahrt! Hei, da hatte es aber jemand eilig. Der wilde Mustang galoppierte sozusagen die ersten Meilen durch die See.

Gegen Abend nahmen Wind und Wellen ab, der Regen, der zwischenzeitlich eingesetzt hatte, hörte auf, und wir segelten mit ausgebaumter Genua in den Sonnenuntergang. Die Nacht verlief ruhig. Im Laufe des heutigen Vormittags nahm der Wind weiter ab, und Ingo ist jetzt gerade dabei, die Genua 3 zu setzen. Wir segeln dann mit zwei Vorsegeln, unserer Passatbesegelung. Das hatten wir ja auf dem Törn von Lissabon nach Porto Santo schon ausprobiert.

Unser 1. Etmal (Distanz, die ein Schiff von 12 Uhr Mittag bis zum nächsten Tag um 12 Uhr Mittag zurücklegt) ist mit 132 Seemeilen gar nicht übel. An Bord ist alles wohlauf.

Sonnabend, 06.12.2014

Seit wann läuft eigentlich alles auf diesen Moment zu, den Moment des tatsächlichen Leinenloswerfens hier in Mindelo zur Atlantiküberquerung auf eigenem Kiel? Seit Mama und Papa mich schon als kleines Kind mit dem Wassersportvirus angesteckt haben? Seit Ingo und ich uns kennenlernten und feststellten, den gleichen Traum zu träumen? Seit unseren Reisen mit Amazone nach Norwegen? Oder erst seit Ende 2012/Anfang 2013, als nicht mehr alles so schön rund lief, wie sonst immer?

Wie heißt es bei der Gruppe Wolfsheim in ihrem Lied "Kein Zurück": "Du schiebst Deine Träume endlos vor Dir her. Du willst noch leben irgendwann, doch wenn nicht heute, wann denn dann? Irgendwann ist auch ein Traum zu lange her."

Genug philosophiert - wir sind startklar, das Abenteuer geht in die nächste Runde! Gleich segeln wir los und hoffen, noch kurz vor Weihnachten auf Tobago zu sein. "Berichte von hoher See" wird es sicher auch hin und wieder geben.

Auf geht's - LET'S GO WEST!

 

Donnerstag, 04.12.2014

Nachdem wir hier in Mindelo einiges erledigt haben, steht heute ein Besuch der Nachbarinsel Santo Antao auf dem Programm. Die Amazone kann sich vor ihrem Marathon über den Atlantik noch ausruhen - wir fahren mit der Fähre. In Porto Novo auf Santo Antao angekommen, werden wir gleich am Hafen von einer Menschentraube von Taxi- und Kleinbusfahrern bestürmt, doch bitte mit ihnen eine Rundfahrt zu unternehmen. Wir sind uns unschlüssig, entscheiden uns dann aber, mit einem Taxi zum 40 km entfernten Kraterrand des Pico da Cruz zu fahren. Der Pico da Cruz ist 1.545 m hoch, und man kann vom Kraterrand aus durch einen herrlichen Wald spazieren. Den Rückweg zum Hafen wollten wir dann mit einem Sammeltaxi fahren.

Leider war die Spitze des Pico da Cruz heute in dicke Wolken gehüllt. Daher gab es leider keine schönen Ausblicke in den Krater, vom Wald und dem Tal war nichts zu sehen. Es war dort oben feucht, kalt und ungemütlich. Wir haben deshalb unseren Plan geändert. Unser Taxifahrer hatte auch gerade nichts anderes vor, und so hat er uns munter im Norden und Osten der Insel durch die verschiedenen Dörfer und zu den besonders schönen Orten kutschiert.

Sehr gut hat es uns in Ponta do Sol im Norden gefallen. Dort gibt es einen kleinen Fischerhafen, in dem wirklich noch Fischer mit ihren Booten anlanden. Das Dorf ist so gut wie gar nicht touristisch erschlossen, und sechs der acht heute anwesenden Touristen saßen in dem einzigen Restaurant, das es dort gibt. Allein dieses Restaurant, mit seinen leckeren Fischgerichten, wäre einen Besuch in Ponta do Sol wert gewesen. Aber den Fischern bei der Arbeit zuzusehen war auch ein besonders schönes Erlebnis. Wir können nur hoffen, dass sich dieser Ort seine Ursprünglichkeit noch lange bewahren kann. Es entstehen gerade einige Neubauten, wahrscheinlich Hotels - das lässt nicht unbedingt Gutes erahnen.

Ein weiteres Highlight war ein Stopp in Xoxo, einem  Dorf südlich von Ponta do Sol. Djeison, unser Taxifahrer, hat uns dort hingeführt, und die Atmosphäre hat uns sofort gefangen genommen. Es ist schwer zu beschreiben - dieser Ort mit der äußerst üppigen Vegetation und dem kleinen rauschenden Bach ist einfach zauberhaft.

Wir haben noch die Orte Ribeira Grande und Paul besucht, in dem Ort Sinagoga die wilde Brandung bestaunt, und sind dann wieder am Hafen angelangt. Wir wollten schließlich pünktlich dort sein, um die Fähre zurück nach Mindelo nicht zu verpassen.

Aber was für ein Schreck - von der Fähre ist nichts zu sehen. Als wir am Schalter in der Wartehalle nachfragen, bittet man uns um unsere Tickets. Sie werden kurzerhand einbehalten, und uns wird der Fahrpreis erstattet. Wir wollen aber gar nicht das Geld zurück, sondern nach Mindelo zurückfahren. Die Mitarbeiterin erklärt uns, dass es ein Problem mit dem Schiff gebe und es deshalb heute nicht mehr fahren würde. Ach du liebe Zeit! Tausend Gedanken flitzen durch meinen Kopf - gibt es hier überhaupt ein Hotel, und eine Zahnbürste habe ich auch nicht dabei. Aber nein, es gibt ja noch die Schnellfähre. Die Fahrkarten sind zwar etwas teurer, und wir müssen 1,5 Stunden bis zur Abfahrt warten - aber immerhin fährt noch ein Schiff zurück. So sind wir doch noch nach diesem schönen und erlebnisreichen Tag gut zurück an Bord gekommen.

 

Im Vordergrund die "Takamaka" und zwei Boote weiter die "Amazone":

 

Ingo und unser Taxifahrer Djeison:

 

Der grüne Norden Santo Antaos:

 

Beeindruckende Schluchten:

 

Auf dieser gepflasterten Straße fuhren wir vom Hafen Richtung Norden:

 

 

In Ponta do Sol: Ein spektakulärer Hafen, der nur von einheimischen Fischern mit ihren bunten Holzbooten angelaufen werden kann - und das auch nur bei Niedrigwasser. Auch für sie ist die Einfahrt um die Klippen, die teilweise unter Wasser sind, halsbrecherisch:

 

 

Der zauberhafte Ort Xoxo:

 

Mittwoch, 03.12.2014

 

Die Grillparty, die der hiesige Trans-Ocean-Stützpunktleiter, Milan, organisiert hat, war super! Es gab Thunfisch-Sushi und gegrilltes Thunfischfilet. Es lecker zu nennen, wäre stark untertrieben. Aber im Mittelpunkt stand natürlich nicht das Essen, sondern der Austausch mit den anderen Seglerinnen und Seglern. Wir haben einen Bremer kennengelernt, der hier in Mindelo auf seiner Yacht lebt, Salzbuckel (sehr erfahrene Hochseesegler, Anm. d. Redak.) haben aus ihrem Erfahrungsschatz erzählt, und wie es ist, mit vier Kindern auf Langfahrt unterwegs zu sein, konnten wir live erleben. Die ältesten Kinder, ein Zwillingspaar, ist schulpflichtig, bei einer Fernschule angemeldet und sie werden von ihren Eltern unterrichtet. Es gibt Lehrpläne und Prüfungen. Die Familie hat auch einen Blog: http://outer-rim.co

Hier in der Marina liegen Boote aus den USA, Neuseeland, England, Spanien, Portugal, der Türkei, der Schweiz, Österreich, Polen, Dänemark, Norwegen, Schweden, Belgien, den Niederlanden, Frankreich und - ganz exotisch - aus Bayern. Der Anteil der französischen Yachten liegt grob geschätzt bei ca. 70 %. Die Tricolore ist allgegenwärtig, und flattert manchmal in Bettlakengröße am Heck. Einem Gerücht zufolge, hat alles, was ein Boot besitzt, Frankreich verlassen, da petit Monsieur Sarkozy an die Macht zurückdrängt. Der hohe Anteil an Franzosen könnte aber auch durchaus darin begründet sein, dass ca. die Hälfte aller europäischen Segelboote in Frankreich beheimatet ist und die französischen Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf eine 12 monatige Auszeit haben.

Wir haben die drei Jungs von der "Cello", die sich heute auf den Weg in die Karibik machen, verabschiedet. Der Abschied hat uns traurig gemacht, weil wir mit Raimund, Siggi und Robert gerne noch mehr Zeit verbracht hätten. Immerhin können wir übers Internet in Kontakt bleiben. Natürlich haben auch sie einen Blog: https://sail.robotniko.de

Über die Abreise der "Cello" tröstet uns die Ankunft der "Takamaka" hinweg. Jonathan, sein Papa Axel und Kumpel Jojo haben gestern Abend hier in der Marina festgemacht. Mal hören, was es so zu berichten gibt, was wir noch nicht in seinem Blog gelesen haben. Sie kommen gleich auf ein Bier zu uns an Bord.

 

Raimund, Robert und Siggi - die drei Cousins sind mit der Unbekümmertheit der Jugend unterwegs:

 

 

Transportmethoden - im Vordergrund afrikanisch, im Hintergrund ein Europäer mit konservativem Transportmittel:

Dienstag, 02.12.2014

 

Wasser, Lebensmittel und Diesel ergänzen, Kräfte sammeln und bei guter Wettervorhersage zum großen Sprung über den Atlantik starten - so ist der Plan. Etwa 2.200 Seemeilen sind es bis nach Tobago. Rechts ranfahren, um kurz zu verschnaufen, an einem Kiosk ein Eis kaufen oder gar in einem netten kleinen Hotel ein Drei-Gänge-Menue verspeisen, anschließend duschen und im riesigen Doppelbett eine schöne (oder durchgeschlafene) Nacht verbringen - das alles wird es nicht geben.   

Einen ersten größeren Einkauf haben wir heute erledigt. Der Supermarkt ist ganz in der Nähe der Marina und gut sortiert. Obst und Gemüse gibt es auf dem Markt, das kaufen wir kurz vor der Abreise. Diesel hat Ingo gestern bei der Tankstelle hier in der Marina gekauft, der Einbautank ist wieder voll. Die Wäsche können wir hier in der Marina morgens abgeben, abends wird sie gewaschen zurückgebracht.

Heute Morgen hatten wir Besuch von der Polizei. Zwei Beamte sind in Begleitung einer Marinamitarbeiterin  von Boot zu Boot  gegangen und haben die Reisepässe kontrolliert. War alles in Ordnung, wir haben ja gestern pünktlich einklariert. Wir sind zwar schon am Sonntag angekommen, aber sonntags ist das Büro geschlossen.

Per Mail hat Ingo heute Kontakt zu unserem "Wetterlieferanten" Wetterwelt aufgenommen. Wir bekommen ab sofort die Vorhersagen für das vor uns liegende Gebiet. Ich habe die Ansichtskarten auf den Weg gebracht. Die Daheimgebliebenen sollen schließlich nicht ganz leer ausgehen. Bin mal gespannt, wie lange sie unterwegs sein werden.

Gleich holen uns die drei Jungs vom Nachbarboot ab. Siggi, Raimund und Robert, drei Cousins aus Karlsruhe, sind mit ihrer Yacht "Cello" auf dem Weg nach Australien. Aber jetzt gehen wir erstmal gemeinsam zur Grillparty, zu der wir gestern eingeladen worden sind.

 

 Blick von der Marina:

Montag, 01.12.2014

Sind wir wirklich schon angekommen oder haben wir nur in der Marina die Leinen festgemacht? Um wirklich anzukommen, braucht es wohl noch ein paar Tage. Der Kontrast zu den Kanaren ist - wie könnte es auch anders sein - spürbar. Hier in Äquatornähe brennt die Sonne heftiger als auf den Kanaren. Außerdem haben wir wieder an der Uhr gedreht. Wir haben eine Stunde geschenkt bekommen und sind jetzt der Zeit in Deutschland zwei Stunden hinterher. Die Menschen, die uns hier bis jetzt begegnet sind, sind sehr freundlich und hilfsbereit. Es gibt auch bettelnde Kinder und streunende Hunde. Wahrscheinlich steckt uns auch der Törn mit seiner "Schichtarbeit" noch ein wenig in den Knochen.

Im Marinabüro haben wir uns gestern angemeldet. Wir zahlen für die Amazone umgerechnet 20,77 Euro Liegegeld. Die Landeswährung ist der Escudo, 100 Escudo sind ungefähr 1 Euro. Wasser kostet extra und wird per Chipkarte abgerechnet. WLAN ist vorhanden, muss aber auch extra bezahlt werden. Da ist es günstiger, in eines der nahegelegenen Restaurants zu gehen und bei einem kühlen Getränk das dortige kostenlose Netz zu nutzen. Zusätzlich haben wir gerade eine Daten-SIM-Karte gekauft. Die WLAN-Netze sind hier wirklich extrem langsam. Um diesen Beitrag ins Netz zu stellen werden wir am Ende fast drei Stunden gebraucht haben.

Hatte ich über die Marina in Las Galletas auf Teneriffa geschrieben, dass dort einiger Schwell im Hafen steht, so fahren wir hier regelrecht in der Box hin und her. Ausleger gibt es nicht, hier wird mit der Mooringleine (eine Art Heckanker) festgemacht. Es herrscht auch eine unheimlich starke Strömung. So muss die Amazone mit der Mooringleine weit vom Steg nach hinten gezogen werden, um nicht mit Strömung und Schwell vorne an den Steg zu geraten. Das wiederum bedeutet, dass ich nur über den Bugkorb auf den Steg komme, wenn ich den richtigen Moment abwarte. Ich muss die Vorwärtsdynamik nutzen, um auf dem Steg zu landen und nicht im Wasser. Der Nordosthafen auf Helgoland ist dagegen so still wie ein zugefrorener See.

Na gut, es zwingt uns niemand, hier zu sein. Wir könnten auch ankern. Aber die Annehmlichkeiten und vor allem die Sicherheit, die eine Marina nun mal bietet, lassen uns die Nachteile in Kauf nehmen.

Der erste Punkt, der heute dringend zu erledigen ist, ist die Einklarierung. Unsere erste echte Einklarierung, da wir Europa verlassen haben und jetzt in Afrika sind. Zunächst müssen wir die Einwanderungsbehörde aufsuchen, dann die Polizei. Die Büros sind ganz in der Nähe des Hafens und im selben Gebäude untergebracht. Es klappte bei beiden Behörden reibungslos. Wir wurden sehr nett und hilfsbereit behandelt und haben jetzt die ersten Stempel in unseren Reisepässen. Kurz vor unserer Abreise müssen wir erneut bei der Polizei vorstellig werden und ausklarieren. Dann bekommen wir auch Amazones Reisepass zurück, der einstweilen einbehalten wurde.

"Hallo ist jemand zu Hause?" Gerade ruft uns eine helle Kinderstimme, sie kommt aus einem Schlauchboot an unserem Heck. Zwei Erwachsene und vier Kinder sind darin. Im Auftrag des Trans-Ocean-Standortleiters werden alle Deutschen für morgen zum Grillen hier am Hafen eingeladen. Wir freuen uns schon!

 

Die Amazone segelt in Teneriffa los - und Alfons hat es fotografiert:

 

Die hiesige Währung - Escudos:

 

Voll beladen:

 

Der freundliche Beamte der Einwanderungsbehörde:

 

Straßenszene in Mindelo: