Sonntag, 07.12.2014, 12.00 Uhr

Position: 16° 31,8' N; 27° 23,0' W; 1. Etmal 132 sm, 1.954 sm Rest

Leider konnte ich nicht mehr alle Mails und whatsapp-Nachrichten beantworten, die wir zum Start der Atlantiküberquerung gestern noch bekommen haben, weil die Internetverbindung plötzlich nicht mehr möglich war. Das Netz ist auf den Kap Verden extremen Schwankungen unterworfen, was Verfügbarkeit und Geschwindigkeit angeht.

Deshalb bedanken wir uns an dieser Stelle für die vielen guten Wünsche, die uns begleiten. Es tut gut zu wissen, dass so viele Menschen uns die Daumen drücken!

Da war er nun - der Moment des Leinenloswerfens für den Marathon über den Atlantik. Das "Große Fressen" - Seemeilenfressen - konnte beginnen. Laut Plotter liegen 2.096 Seemeilen vor unserem Bug. So ist es wohl mit den großen Momenten im Leben: sie werden lange ersehnt und wenn sie dann da sind, sind sie gar nicht so spektakulär und ruck-zuck auch schon vorbei. Es war auf jeden Fall sehr windig, es stand ordentlich Schwell und Strömung im Hafen. Die Leinen waren alle los, nur ich musste über den Bug noch an Bord klettern. Das war aber gar nicht so einfach. Amazones Bug schaukelte wild auf und ab. Sie erinnerte mich in diesem Augenblick an einen wilden Mustang, der Angst um seine Freiheit hat. Letztlich bin ich gut an Bord gekommen, eine andere Seglerin hat mir bei der Zähmung von "Blue Beauty" geholfen und uns eine gute Reise gewünscht. Der Skipper hat kräftig rückwärts gegeben, die Reise konnte beginnen.

Zwischen den Inseln Santo Antao und Sao Vicente muss wegen des hier auftretenden Düseneffekts mit Wind von bis zu 8 Beaufort gerechnet werden. Darauf waren wir vorbereitet, haben die Genua nicht ganz ausgerollt und haben uns vom Düseneffekt hinaus auf den Atlantik schieben lassen. "Schieben lassen" klingt sehr gemütlich, Hexenkessel trifft es eher. Die Wellen türmten sich zu wahren Gebirgen auf, die lärmend hinter Amazones Heck brachen. Neptun hat sich nicht damit zufrieden gegeben, hier und da ein bisschen Gischt an Deck zu spucken - diesmal spuckte er das Wasser gleich ins Cockpit. Schöner Nebeneffekt dieser Rauschefahrt: auf der Logge - unserem Geschwindigkeitsmesser - sah ich sagenhafte, unglaubliche, phantastische, noch nie dagewesene 9,1 Knoten Fahrt! Hei, da hatte es aber jemand eilig. Der wilde Mustang galoppierte sozusagen die ersten Meilen durch die See.

Gegen Abend nahmen Wind und Wellen ab, der Regen, der zwischenzeitlich eingesetzt hatte, hörte auf, und wir segelten mit ausgebaumter Genua in den Sonnenuntergang. Die Nacht verlief ruhig. Im Laufe des heutigen Vormittags nahm der Wind weiter ab, und Ingo ist jetzt gerade dabei, die Genua 3 zu setzen. Wir segeln dann mit zwei Vorsegeln, unserer Passatbesegelung. Das hatten wir ja auf dem Törn von Lissabon nach Porto Santo schon ausprobiert.

Unser 1. Etmal (Distanz, die ein Schiff von 12 Uhr Mittag bis zum nächsten Tag um 12 Uhr Mittag zurücklegt) ist mit 132 Seemeilen gar nicht übel. An Bord ist alles wohlauf.