Sonntag, 31.05.2015, 12.00 Uhr

Position 39° 9,5' N; 37° 53,0' W; Etmal: 115 Seemeilen; Rest: 311 Seemeilen

Die Freude am Segeln hielt leider nur etwa 12 Stunden an. Gestern Abend schlief der Wind erneut ein, der Motor musste uns durch die mondhelle Nacht voranbringen. Im Morgengrauen konnten wir dann erneut Segel setzen. Unter Großsegel und voll ausgerollter Genua zuckelten wir bei etwa drei Windstärken raumem Wind in diesen herrlichen, sonnigen Sonntagmorgen. Seit einer Stunde lässt der Wind wieder nach, die Segel schlagen, es geht nur quälend langsam voran. Geduld ist gefragt, um dieses Schneckentempo auszuhalten.

Unsere frischen Vorräte gehen rapide zur Neige. Es ist noch ein Apfel und eine Grapefruit vorhanden, außerdem noch Kartoffeln und Zwiebeln. Die Schapps sind aber noch gut mit Nudeln, Reis, Keksen, Müsli, Obst- und Gemüsekonserven, Saucen und Fertiggerichten und Getränken gefüllt. Auch Milch, Käse, Marmelade, Wurst und Schinken sind noch ausreichend vorhanden. Die Wasservorräte sind noch üppig. Selbst wenn uns der Wind ab jetzt ganz im Stich lassen sollte, hätten wir genug Diesel, um unser Ziel unter Motorfahrt zu erreichen. Was niemals zur Neige gehen darf, ist Nutella. Auch hier ist für ausreichend Vorrat gesorgt.

Obwohl wir schon 12 Tage unterwegs sind, wird uns die Zeit nicht lang. Wir fühlen uns wohl und genießen den zum Glück friedlichen Atlantik. Hier kann es auch ganz anders zur Sache gehen, was uns sehr bewusst ist. Die Nachtwachen sind trotz der einmaligen Atmosphäre mit dem hellen Mondschein, dem grandiosen Sternenhimmel und der endlos scheinenden Weite anstrengend. Mondschein, Sterne und weiter Horizont hin oder her - durchschlafen zu können, wäre uns lieber.

Gerade eben hat wieder ein etwa 20 Meter langer Wal unseren Kurs gekreuzt. Das riesige Tier schwamm von Steuerbord kommend in ca. 30 Meter Entfernung vor unserem Bug durch. Durch den Blas, den es ausgestoßen hatte, hatte Ingo den Wal bemerkt. Schnell haben wir den Motor gestartet, und aufgestoppt. Wir sahen seinen grauen glänzenden Rücken, dann verschwand er wieder in den Tiefen der See.

Sonnabend, 30.05.2015, 12.00 Uhr

Position 39° 5,2' N; 40° 21,2' W; Etmal: 124 Seemeilen; Rest: 426 Seemeilen

Endlich haben wir den Wind erwischt, und seit heute Morgen um halb fünf kann endlich wieder gesegelt werden! Es weht mit 2 - 3 Beaufort schräg von achtern, die Genua ist ganz ausgerollt, schaukelnd, rollend und geigend kommen wir mit etwa vier bis fünf Knoten ganz gut voran. Dabei hilft uns auch seit geraumer die Meeresströmung, die mit etwa einem Knoten mitschiebt. Zunächst hatte Ingo den Gennaker gesetzt, unser buntes Leichtwindsegel, das uns auf der Weser und der Nordsee bei leichten Winden schon gut vorangebracht hat. Leider mussten wir aber nach etwa zwei Stunden doch einsehen, dass es hier bei diesem unruhigen Seegang zu sehr schlägt und am Rigg zerrt. Die ausgebaumte Genua flappt nur hin und wieder, leise gurgelt das Wasser am Rumpf entlang, hier und da klappert ein Topf oder ein Teller im Schapp, aber ansonsten herrscht himmlische Ruhe. Unser treuer grüner Freund, der Volvo, hat jetzt eine sehr verdiente Ruhepause.

Mit Navigation, Wettervorhersage auswerten, Diesel Nachtanken, Kochen, Putzen, Duschen, Essen, Angeln (leider erfolglos), Schlafen und Lesen vergeht die Zeit. Ab und zu kommen Delphine vorbei, so als ob sie sich vergewissern wollten, dass bei uns alles in Ordnung ist. Wir zuckeln friedlich im hellen Sonnenschein über den glitzernden Atlantik, Nachts im silbernen Mondschein unter dem kolossalen Sternenhimmel - alles ist gut.

Freitag, 29.05.2015, 12.00 Uhr

Position 38° 48,7' N; 42° 59,7' W; Etmal: 89 Seemeilen; Rest: 550 Seemeilen

Weiterhin fehlt uns zu unserem vollkommenen Glück der Wind. Wir dieseln nordöstlichen Kurs, dem vermeintlichen Wind hinterher. Der Volvo fragt sich wahrscheinlich schon längst, ob wir ihn vielleicht vergessen haben, einfach vergessen haben, ihn abzustellen. Wir sind mit den Crews der "Anne" und der "Lubini" per Mail und Satellitentelefon in Kontakt. Auch sie dieseln tapfer durchs blaue, unendliche Nirgendwo. Über Funk hören wir Gespräche einiger ARC-Teilnehmer. Sie wollen sich ebenfalls nördlich halten, da dort morgen vielleicht ein Lüftchen weht, dass sie gen Osten bringt.

Wir überschlagen unseren Dieselverbrauch und unseren Vorrat, und es steht fest, dass wir auf keinen Fall die ganze restliche Strecke mit Motor fahren können. So weit reicht der Diesel nicht. Wir hoffen auch, dass es gar nicht nötig ist, dass wir irgendwann wieder Wind bekommen und endlich wieder segeln können.

Die See hat sich weiter beruhigt, sie ist jetzt nicht mal mehr leicht gekräuselt, sonder fast spiegelglatt. Im hellen Mondschein verlief meine Nachtwache bei einem guten Buch und einer Kanne schwarzen Tee völlig unspektakulär. Allerdings sind die Zeiten, in denen Nachts barfuß, in T-Shirt und Shorts Wache gegangen werden konnte, endgültig vorbei. Mit langer Hose, Fleece-Jacke und dicker Teddyfell-Jacke, an den Füßen dicke Socken und Seestiefel verbringe ich die Nachtwachen und freue mich über den heißen Tee.

Back-Tag war gestern, heute ist Dusch-Tag, Lese-Tag war vorgestern, gestern und ist auch heute. Die CD der Gruppe "Santiano" dudelt ein ums andere Mal. In einem ihrer Lieder heißt es: (...) "Was macht ein Seemann, wenn mal Flaute ist, was macht ein Seemann dann? Dann flucht er laut, so laut, wie er nur fluchen kann, das macht ein Seemann dann!" Geflucht hat bei uns an Bord bis jetzt noch niemand, wahrscheinlich würde der Volvo sich bitter beschweren, wenn er könnte. Aber bis jetzt macht er brav, wozu er schließlich an Bord ist - er brummt vor sich hin. Wir nehmen es, wie es kommt. Im Schneckentempo nähern wir uns Meile für Meile dem Ziel. Meilenfressen mal gemächlich.

Donnerstag, 28.05.2015, 12.00 Uhr

Position 38° 7,1' N; 44° 45,5' W; Etmal: 86 Seemeilen; Rest: 639 Seemeilen

Was für ein mageres Etmal! Wie vorhergesagt, nahm der Wind gestern immer mehr ab und seit gestern Nachmittag brummt jetzt schon der Volvo. Wir haben auch das erste Mal Diesel aus den Kanistern nachgetankt. Laut der gestrigen Wind- und Wettervorhersage soll es noch einige Tage schwachwindig bleiben. Wir fahren seit einiger Zeit nicht mehr den direkten Kurs zu den Azoren, sondern halten uns nördlicher. Dort weht angeblich zumindest ein laues Lüftchen und so dieseln wir - hoffentlich - dem Wind entgegen. Wäre schön, wenn wir vielleicht mal unser buntes Zauber-Leichtwindsegel, den Gennaker, setzten könnten. Wir hoffen auf Wind, denn jede Meile, die wir segeln können, spart nicht nur Diesel, sondern ist einfach ruhiger und viel schöner.

Gestern hat ein großer, grauer Wal unseren Kurs gekreuzt. Knapp 30 Meter tauchte er an Steuerbord vor unserem Bug auf, stieß dreimal kurz hintereinander seinen Blas aus, zeigte uns seinen riesigen grauen Rücken und verschwand an Backbord in den Tiefen des Atlantiks. Viel lieber war mir da schon heute Morgen der Besuch einer kleinen Delphingruppe. Sie schwammen neben uns her, umspielten Amazones Bug und verschwanden alsbald achteraus.

Während ich diesen Beitrag schreibe, geht der Hefeteig für das Brot auf, und gleich wird gebacken. Die Sonne lacht vom strahlend blauen Himmel, es ist um die 21° Grad warm. Außer ein bisschen Wind fehlt uns nichts.

Mittwoch, 27.05.2015, 12.00 Uhr

Position 37° 18,1' N; 46° 23,1' W; Etmal: 108 Seemeilen; Rest: 725 Seemeilen

Na, da war ja ganz schön etwas los rings um uns herum. Am späten Montagabend briste der Wind unerwartet heftig auf. Es wehte mit konstanten sechs Beaufort, in Böen sogar sieben, aus nordöstlicher Richtung. Was bedeutete, dass es an Bord sehr ungemütlich wurde. Angekündigt war das nicht, aber dafür blieben die angekündigten Gewitter aus. Das ist doch gar kein schlechter Tausch, oder? Trotz zwei Reffs im Großsegel und ganz kleiner Fock marschierte die Amazone mit sechs bis sieben Knoten Fahrt durch die aufgewühlte See. Tapfere Lady, ohne Murren und Knurren steckte sie jeden noch so harten Schlag der See ungerührt ein.

An Schlaf war während der Freiwachen nicht zu denken, die Wachen an sich waren sehr anstrengend. Eine Regenfront nach der anderen zog über uns hinweg und brachte ordentlich Wind mit. Jede Bewegung fiel schwer, an kochen oder duschen war nicht zu denken. Bei dem Geschaukel war es dann gestern auch nicht möglich, einen ausführlichen Bericht zu verfassen. Aber, wie das so ist im Leben - das Blatt wendete sich zum Besseren und inzwischen sieht unsere kleine Welt wieder ganz anders aus.

Gestern, Dienstag nachmittag, flaute es allmählich ab. Das erste Reff konnte losgebunden und die Genua zum Teil ausgerollt werden. Etwas verpasster Schlaf wurde nachgeholt, eine heiße Suppe gekocht. Sogar Besuch kam vorbei - nur etwa eine Bootslänge von uns entfernt tummelten sich sechs Grindwale. Ganz unbefangen kann ich diesen Anblick nicht mehr genießen, was man vielleicht nachvollziehen kann. So segelten wir in den Abend und in die Nacht, auch das letzte Reff konnte losgebunden und das Vorsegel ganz ausgerollt werden. Leider ließ der Wind immer mehr nach, so dass zwischendurch immer wieder die Maschine gestartet werden musste.

Heute Morgen bekam die Amazone Besuch von Delphinen, sehr vielen Delphinen sogar. Es waren schätzungsweise etwa an die einhundert Tiere, die da unterwegs waren. Einige tauchten unter der Amazone hindurch, andere blieben in einiger Entfernung. Es waren auch viele Jungtiere in der Gruppe.

Jetzt scheint die Sonne bei 21° Lufttemperatur, die See hat sich beruhigt, und der Wind kommt schwach aus östlicher Richtung. Nur wenig Wind und der genau gegenan, das bedeutet viel Arbeit für den Volvo. Immerhin haben wir schon mehr als die Hälfte der Strecke geschafft. Gleich koche ich uns etwas Leckeres, später wird geduscht und vielleicht beißt ja auch noch ein Fisch an.

Dienstag, 26.05.2015, 12.00 Uhr

Position 36° 6,4' N; 48° 16,2' W; Etmal: 130 Seemeilen; Rest: 833 Seemeilen

Wir hatten heute Bergfest! Aufgrund des starken Seegangs wird der ausführliche Bericht morgen nachgeliefert.

Montag, 25.05.2015, 12.00 Uhr

Position 35° 7,7' N; 50° 39,6' W; Etmal: 111 Seemeilen; Rest: 963 Seemeilen

Der Motor lief gestern bis zum frühen Nachmittag, als dann doch noch der Wind zurück kam. Erst etwas zaghaft, aber dann mit vier Windstärken, später fünf. Wir konnten das Großsegel setzen und die Genua ganz ausrollen. Hoch am Wind ging es flott voran, wobei es im Boot aber wieder ungemütlich wurde. Die Kajüte entwickelte sich wieder zu einer "schiefen Ebene", entsprechend beschwerlich war es, sich darin fortzubewegen. Die Wellen polterten wieder ebenso laut wie unaufhörlich an den Rumpf. Während meiner Nachtwache kamen wir mit fünf, teilweise sechs Knoten Fahrt gut voran. Dunkle Wolken versperrten den Blick auf den Sternenhimmel, Amazone zischte durch die bewegte See, als bekäme sie dafür bezahlt und das Meeresleuchten war wieder wunderschön. Eine Motoryacht (57 Meter lang, 11 Meter breit) zog mit 12 Knoten Fahrt in sechs Seemeilen Abstand an Steuerbord an uns vorbei. Ihr Ziel ist Gibraltar. Etwa eine Stunde nach meiner Ablösung zogen Regenwolken über uns hinweg und brachten einige Böen mit. Ingo musste die Genua ein Stück einrollen und das Großsegel reffen. Als die Front durchgezogen war, ließ der Wind nach, die Genua wurde eingerollt und der Motor musste gestartet werden und brummt auch jetzt noch. Laut gestriger Windvorhersage soll der Wind bis Donnerstag schwach aus östlicher Richtung wehen, also für uns ungünstig, weil von vorne. Wir und die Amazone versuchen, das Beste daraus zu machen. Es könnte schlimmer sein. Auf die neue Vorhersage, die wir gleich bekommen, sind wir gespannt. Immerhin liegt die Distanz bis zu unserem Ziel jetzt schon im dreistelligen Bereich.

Sonntag, 24.05.2015, 12.00 Uhr

Position 34° 54,0' N; 52° 57,4' W; Etmal: 105 Seemeilen; Rest: 1.074 Seemeilen

Der Wind nahm gestern zwischendurch ab, so dass wir mit Großsegel und ausgebaumter Genua nur noch mit ungefähr vier Knoten voran kamen. Gegen Abend nahm er wieder ein wenig zu, und wir kamen mit fünf Knoten vorwärts. Mit schlafen, lesen, kochen und essen vergeht der Tag erstaunlich schnell. Das Thunfischfilet hat hervorragend geschmeckt, gleich brate ich die restlichen Filets. Wenn der Fisch verputzt ist, werfen wir die Angel wieder aus, um erneut unser Glück zu versuchen.

Meine Nachtwache verlief bei schwachem Wind und relativ wenig Seegang ganz ruhig. Kurz nach meiner Ablösung musste Ingo dann doch den Motor starten, da der Wind genau wie ich eingeschlafen war. Der Volvo brummt jetzt noch immer und wird es wohl noch einige Zeit machen müssen. Wir sind gespannt, was die neue Wettervorhersage uns gleich beschert. Ein gutes Drittel des Törns haben wir schon geschafft.

Was hat sich sonst noch ereignet? In der Nacht hat uns in 1,5 Seemeilen Entfernung das Segelschiff "Widago" unter Motorfahrt überholt, jetzt schickt sich die Segelyacht "Mistero Blue" an, uns ebenfalls unter Maschine fahrend, zu überholen. Die "Anne", die uns über ihren Kurs per Mail über das Satellitentelefon auf dem Laufenden hält, fährt etwa 50 Seemeilen vor uns. Die "Lubini" hat uns ebenfalls per Satellitentelefon mitgeteilt, dass sie etwa 120 Seemeilen hinter uns ist. Heute Morgen lagen zwei kleine (ehemals) Fliegende Fische an Deck und haben eine ordentliche Seebestattung bekommen.

Außerdem waren zwei kleinere Reparaturen zu erledigen: Peter hatte eine Schraube locker und am Motor musste ein neuer Kupferring zum Abdichten der Entlüftungsschraube der Dieselleitung eingesetzt werden. Malte hatte uns zwei Kupferringe mit nach Martinique gebracht, so wollten wir für den Fall der Fälle vorbereitet sein. Leider hat man Malte nicht die richtigen Ringe mitgegeben - sie sind zu klein. Keine Ahnung, wie das passieren konnte, die Ersatzteil-Nummer ist jedenfalls richtig. So hat Ingo den alten Kupferring gesäubert und wieder eingesetzt. Wir hoffen, dass das erst mal ausreichend ist.

Feiertage spielen in unserem Mikrokosmos hier draußen keine Rolle. Hier dreht sich alles nur um die Wind- und Wettervorhersage. Trotzdem haben wir natürlich mitbekommen, dass heute Pfingstsonntag ist. In dem Zusammenhang fällt mir ein, dass wir im letzten Jahr am Pfingstwochenende zu unserer Reise aufgebrochen sind. So vieles hat sich seitdem ereignet, so viele nette und interessante Begebenheiten haben wir erlebt. Wie ein kostbarer Schatz hüte ich all die Erinnerungen, keine soll verblassen oder gar verloren gehen. Eine Zeit unendlich vieler Eindrücke und neuer Bekanntschaften. In Gedanken gehe ich unsere Reiseroute durch und komme auf 19 Gastlandflaggen, die wir bis jetzt gesetzt haben. Knapp drei Monate werden wir noch unterwegs sein, weitere Eindrücke warten schon auf uns. Wir sind gespannt auf die Azoren und hoffen natürlich, auf angenehme und sichere Törns auf dem weiteren Rückweg durch den Atlantik, den Ärmelkanal und die Nordsee in die Weser. Wir freuen uns das Wiedersehen mit der Familie, den Freunden und Bekannten. Freuen uns auf ein richtiges Bett, eine richtige Dusche, die eigene Waschmaschine, unsere Fahrräder, Zeit mit den Kindern, aktuelle Tageszeitungen, sonntags einen "Tatort" gucken und und und...

Sonnabend, 23.05.2015, 12.00 Uhr

Position 34° 32,3' N; 55° 3,1' W; Etmal: 149 Seemeilen; Rest: 1.179 Seemeilen

Wir sind jetzt vier Tage unterwegs, aber die Bordroutine, die sich meist am dritten Tag einstellt, will nicht so richtig kommen. Die Bedingungen sind zwar weiterhin sehr gut, trotzdem bin ich immer müde. Bei vier bis fünf Windstärken halbem Wind kommen wir flott voran. Gleich bekommen wir den neuen Wind- und Wetterbericht, und wir hoffen, dass Wind, Wetter und Seegang so moderat bleiben.

Gestern Nachmittag hatten wir wieder Anglerglück. Ein schöner dicker Yellow-Fin Thunfisch hat angebissen und versorgt uns jetzt mindestens für zwei Tage mit leckeren Filets.

Freitag, 22.05.2015, 12.00 Uhr

Position 33° 53,0' N; 57° 56,7' W; Etmal: 126 Seemeilen; Rest: 1.328 Seemeilen

Gestern Nacht schlief der Wind kurz ein, so dass der Motor für zwei Stunden für unser Fortkommen zuständig war. Bei weniger als drei Knoten Fahrt im Schiff muss der Volvo aushelfen. Alsbald konnte die Genua aber schon wieder ausgerollt und die Maschine ausgestellt werden. Gegen 22 Uhr nahm der immer noch raume bis achterliche Wind soweit zu, dass auch das Großsegel gesetzt werden konnte. Seitdem preschen wir mit guten sechs Knoten Fahrt durch den nicht mehr ganz so konfus aufgewühlten Atlantik. Die Nacht war sternenklar, es gab sogar Sternschnuppen. Da habe ich mir natürlich auch etwas gewünscht. Mal abwarten, ob es in Erfüllung geht.

Als meine Wache um vier Uhr zu Ende war, bin ich todmüde in meine herrlich gemütliche Koje geklettert. Um acht Uhr hieß es dann schon wieder raus aus der Koje, schon wieder Wachablösung. Die vier Stunden kamen wir vor wie vier Minuten, und ich hätte unendlich gerne noch ein paar Stunden weitergeschlafen. Geht aber nicht, der Kapitän ist auch hundemüde, braucht natürlich auch seinen Schlaf und freut sich auch auf seine Koje.

Zum Frühstück bekam ich Besuch von Delphinen. Sie blieben eine ganze Weile, schwammen neben der Amazone her, tauchten unter ihr durch und vollführten tollkühne Sprünge.

Wir kommen gut voran, bei halbem Wind von vier bis fünf Beaufort, 21° Lufttemperatur und Sonnenschein ist es herrliches Segeln. So könnte es immer weitergehen. Idealbedingungen. Wie lange es noch so weitergeht, verrät uns gleich die Wind- und Wettervorhersage.

Donnerstag, 21.05.2015, 12.00 Uhr

Position 33° 36,2' N; 60° 30,2' W; Etmal: 125 Seemeilen; Rest: 1.454 Seemeilen

Tatsächlich kam der Wind gestern gegen 17 Uhr mit einem Winddreher zurück und seitdem laufen wir mit ausgebaumter Genua mit ungefähr vier bis sechs Knoten Fahrt bei vier Beaufort, in Böen fünf. Der Wind weht aus Südwest, kommt also für uns fast achterlich. Eine angenehme Windrichtung, die uns an das Passatsegeln erinnert. Die Amazone schaukelt, rollt und geigt. Trotz der erheblichen Zuladung verhält sie sich im konfusen Seegang aber ganz prima.

Gestern hatten wir noch einmal kurz Funkkontakt mit der "Anne". Jetzt ist sie allerdings außerhalb unserer UKW-Funkreichweite. Fast hätte es gestern Fisch zum Abendbrot gegeben! Ein sehr großer Mahi Mahi hatte angebissen. Das war ein richtiger Kämpfer. Wunderschön blau, grün und gelb schimmernd schwamm er eine Weile neben der Amazone. Dann schlug er einen Haken, und die Angelleine riss ab. So ein Mist, jetzt sind wir unseren schönen, so erfolgreichen Köder los.

Auch die zweite Nacht verlief ruhig. Die ausgebaumte Genua zog uns durch die sehr dunkle Nacht. Kein Mondschein, eine geschlossene Wolkendecke verhinderte den Blick auf die Sterne. Es fiel sogar etwas Regen. Aber das Meeresleuchten war phantastisch anzusehen. Die Amazone zog eine breite leuchtende Bahn durch den dunklen Atlantik.

Nach dem Frühstück warf Ingo mit einem neuen Köder die Angel aus. Nach kurzer Zeit biss sogar etwas an, befreite sich dann aber wieder. Wir versuchen es weiter.

Mittwoch, 20.05.2015, 12.00 Uhr

Position 33° 22,5' N; 64° 40,5' W; zurückgelegte Distanz: 103 Seemeilen; Rest: 1.579 Seemeilen

Bevor wir unseren Anker in St. George's auf Bermuda am Dienstag, 19.05.15, um 14.30 Uhr lichten konnten, gab es noch einiges zu erledigen. Als wir gerade an Land fahren wollten, kam der "Boatboy" mit seinem Bio-Gemüse vorbei. Kartoffeln, Wurzeln, Rote Beete und Salat kauften wir ihm gerne ab. Er hatte sogar Grünkohl im Angebot! Kasseler und Pinkel hatte er nicht, so dass wir den Kohl nicht gekauft haben. Anschließend fuhren wir an Land, wuschen Wäsche und kauften frische Lebensmittel im Supermarkt. Die letzten bunten Bermuda-Dollar habe ich in "Snickers" angelegt. Die Ausklarierung war schnell erledigt und nachdem wir die aktuelle Wind- und Wettervorhersage bekommen hatten, konnte es losgehen.

Das Ankerfeld hatte sich schon ziemlich gelichtet. Die "Anne" hatte kurz vor uns abgelegt, "Lubini" und "Rote Grütze" bleiben noch. Die Teilnehmer der ARC-Europe starten erst heute. Wir drehten eine kurze Abschiedsrunde durch das Ankerfeld und meldeten uns bei Bermuda-Radio. Der freundliche Mitarbeiter stellte noch ein paar Fragen und gab uns dann die Erlaubnis, die Bucht durch den engen Kanal zu verlassen.

Die emotionale Achterbahn nahm Fahrt auf und brauste in den ersten Looping. Abschied vom türkisblauen Wasser, von Bermuda und seinen ungemein freundlichen Menschen, vor uns die zweite Atlantiküberquerung, knapp 1.700 Seemeilen, schlafen im Vier-Stunden-Rhythmus, leben auf engem, schwankendem Raum, bei sinkenden Temperaturen. Und dann kamen sie angeschlichen und steigerten sich bis zur Übelkeit - Kopfschmerzen. Ein Migräneanfall wie aus dem Lehrbuch. Alsbald hing ich über der Reling und fütterte die Fische. Eine Tablette setzte dem Übel ein Ende und nach ein paar Stunden Schlaf ging es mir auch schon besser.

Mit vollem Groß und ausgerollter Genua starteten wir bei vier Windstärken am Wind. Herrliches Segeln im Sonnenschein, Bermuda verschwand am Horizont. In der Nacht ließ der Wind immer mehr nach und schlief schließlich ein. Der Motor musste heute Morgen um 4 Uhr gestartet und die Segel geborgen werden. Der Motor brummt immer noch, wir rechnen erst für heute Nachmittag mit Wind.

Dienstag, 19.05.2015

Die Wind- und Wettervorhersage erscheint uns passend, Bermuda zu verlassen und Kurs auf die Azoren zu nehmen. Bermuda hat uns sehr gut gefallen, und wir haben hier in dem "schwimmenden Dorf" eine sehr schöne Zeit verbracht. Trotzdem ist es jetzt Zeit, weiterzuziehen. Noch schnell frisches Obst und Gemüse einkaufen, ausklarieren, das Schlauchboot verstauen, dann können wir Segel setzen.

Die zweite Atlantiküberquerung steht jetzt an, ca. 1.700 Seemeilen liegen vor unserem Bug. Wenn es die Umstände zulassen, werde ich wieder von See berichten.

Nun noch etwas Wissenswertes zu unserem Ziel, den Azoren:

Die Azoren sind eine autonome Region von Portugal und somit Mitglied der EU. Es wird rechts gefahren, portugiesisch gesprochen und mit Euros bezahlt. Es sind insgesamt neun Inseln, die drei Gruppen bilden und sich von West nach Ost über mehr als 300 Seemeilen durch den Atlantik erstrecken. Alle Inseln sind vulkanischen Ursprungs.

Ach ja - die Inseln sind ein Zentrum für Walbeobachtung... Auf Pico gibt es ein Walmuseum mit dem lebensgroßen Skelettmodell des größten Pottwals, der je auf den Azoren erlegt wurde. Es gibt auch eine Beobachtungsplattform, von der aus Pottwale, die sich der Küste nähern, beobachtet werden können.

 

 

Montag, 18.05.2015

Gestern haben wir schon mal einen Besuch bei der Tankstelle gemacht, um unsere Diesel- und Trinkwasservorräte aufzufüllen. Danach standen noch zwei sehr schöne Punkte auf unserer "Tagesordnung":

Ganz in der Nähe unseres Ankerplatzes liegen einige der ARC-Europe-Teilnehmer in einer kleinen Marina. Dort hielt gestern Tania Aebi einen Vortrag über ihre Weltumseglung, die sie 1985 im Alter von 18 Jahren begann und 1987 beendete. Sie war die erste Amerikanerin, die die Welt einhand umsegelt hat. In ihrem Buch "Die Welt im Sturm erobert" hat sie ihre Erlebnisse veröffentlicht. Eine sympathische Frau und ein interessanter Vortrag.

Anschließend waren wir auf die "Lubini" eingeladen. Es war Petras Abschiedsabend, da sie heute zurück nach Deutschland fliegt. Sie hat ihre Gäste mit einem leckeren Chili verwöhnt, und auch der Rumpunsch hat hervorragend gemundet. Abschiede sind nicht leicht und dieser fällt mir besonders schwer.

Ingo und ich haben heute noch mal einen Ausflug nach Hamilton und zu den Royal Naval Dockyards unternommen. In Hamilton hatten wir noch Besorgungen zu machen und dann ging es mit der Schnellfähre zu den Dockyards. Dort haben wir u. a. noch mal die Glasbläser besucht, das hatte uns beim letzten Mal schon gut gefallen.

Zurück nach St. George's wollen wir mit der Fähre fahren. Eine richtig gute Entscheidung, wie wir an Bord feststellen. An Bord befindet sich Mr. E. Michael Jones, seines Zeichens Ex-Bürgermeister von St. George's und ein richtiger Entertainer. Er unterhält mühelos die Passagiere auf der Fähre, und wir erfahren auf der Fahrt einiges Wissenswerte über Bermuda. Er lädt alle Passagiere ein, mit ihm eine Stadtführung durch St. George's zu machen. Kurzentschlossen nehmen wir daran teil und auf sehr witzige und kurzweilige Art bringt er uns "seine" Stadt nahe. Wir besuchen die Kirche St. Peter's und erfahren, dass sie 1612 erbaut wurde und die älteste anglikanische Kirche außerhalb Englands ist und die älteste Protestantische Kirche der Welt, in der heute noch Gottesdienste abgehalten werden. Am Wegesrand gibt es allerlei Pflanzen, die Mr. Jones uns erklärt, er pflückt Früchte von einem Baum und erklärt uns, dass es sich um Bermuda-Kirschen handelt. Eine kurze Regenpause legt die Gruppe unter einem Maulbeerbaum ein, und auch diese leckeren Früchte dürfen wir probieren. Er führt uns auch ins altehrwürdige Rathaus, wo auch sein Foto in der Ahnentafel der Bürgermeister zu entdecken ist. "Machen Sie ein Foto von meinem Foto!" fordert er die Gruppe lachend auf. Nebenbei erzählt Mr. Jones uns, dass die Häuser auf Bermuda auf große Regenwasser-Sammelbecken gebaut sind, die Häuser seien im Grunde "überdachte Swimmingpools". Die Dächer seien mit einer speziellen weißen Farbe gestrichen, die keine Schadstoffe enthalte, so dass das gesammelte Regenwasser bedenkenlos getrunken werden könne.

Übrigens ging der ehemalige Bürgermeister während der Führung rückwärts - und ermahnte uns, immer schön aufzupassen, wohin wir treten. Ja, das war eine Stadtführung der ganz besonderen Art!

 

In der Glasbläserei in den Royal Naval Dockyards:

 

Mr. E. Michael Jones, von 2003 bis 2006 Bürgermeister von St. George's:

Sonnabend, 16.05.2015

In der Karibik gehörten sie auf einigen Inseln einfach dazu - die Boatboys. Sie kamen mit ihren teils sehr phantasievoll gestalteten kleinen Booten angebraust und hatten allerlei anzubieten. Ob Fisch, Obst, Gemüse, Wäscheservice oder eine Mooringboje, ihr Angebot war so bunt wie ihre Boote. Die letzte Insel, auf der wir Besuch von Boatboys hatten, war auf Dominica. Danach waren sie verschwunden. Bis heute, denn am Vormittag tuckerte ein kleines Boot durchs Ankerfeld. Der nette Herr sprach Deutsch und hatte Möhren aus eigenem (biologischem!) Anbau dabei. Da haben wir gerne zugegriffen. Einen Obst- und Gemüsemarkt gibt es auf Bermuda nicht. Ungekühltes kann nur direkt bei den Bauern gekauft werden.

Unsere To-Do-Liste, die wir vor unserer Abreise abzuarbeiten haben, ist ziemlich lang. Natürlich müssen wir noch Diesel und Wasser tanken, Proviantlisten anlegen, einkaufen, Wäsche waschen und vieles mehr. Außerdem kramen wir jetzt die dicken Pullover, Socken und langen Hosen hervor.

Für einen Rundgang durch St. George und einen langen Spaziergang in die Umgebung bleibt aber auch noch Zeit. Am Abend hat die "Anne" zu  leckeren Cocktails eingeladen. In netter Runde bei interessanten Gesprächen geht wieder einer dieser schönen Tage zu Ende.

 

Gruppenbild vom Ausflug zu den Chrystal Caves

 

Die Kirche St. Peter's in St. George's:

Freitag, 15.05.2015

In unserem "schwimmenden Dorf", dem Ankerfeld vor St. George's, hat es in den letzten Tagen viele Zuzüge gegeben. Die Nachbarschaft ist bunt, die Yachten kommen aus den USA, den Niederlanden, aus England, Frankreich, der Schweiz und natürlich Deutschland. Am Dinghy Dock gibt es jetzt immer ein großes Gedrängel. Inzwischen sind auch die Yachten eingetroffen, die mit der Atlantic Rally for Cruisers (ARC) Europe über die Azoren nach Europa segeln.

Clarissa und Jonathan sind mit der "Takamaka" seit vergangenem Montag auf ihrem (kalten) Weg Richtung Norden. Sie wollen über Grönland und die Shetlands zurück nach Deutschland. Das ist die richtig harte Tour. Unter Takamaka-segeln.de (siehe unter den Links) kann ihre nasse Reise verfolgt werden.

Wir erhalten weiterhin täglich die aktuelle Wind- und Wettervorhersage. Das Wetter und ein möglicher Abreisetermin Richtung Azoren sind natürlich die Hauptthemen in unserem "Dorf vor Anker".  Bis zum Ausklarieren werden aber noch einige Tage vergehen.

Den heutigen Tag haben wir für einen Ausflug an das Ostende der Insel genutzt. Mit dem Bus geht es am Flughafen und am Leuchtturm St. Davids vorbei. Wir nehmen den Weg zum Cooper's Island Nature Reserve. Hier donnern die landenden Flugzeuge dicht über unsere Köpfe hinweg. Schließlich erreichen wir nach einem kurzen Fußmarsch die ebenso weißen wie menschenleeren Strände von Clearwater Beach und der Turtle Bay. In der Soldier Bay finden wir schließlich eine von Felsen umschlossene Mini-Bucht für zwei Personen. Wir gehen schwimmen und lassen uns hinterher von der Sonne aufwärmen. 21 Grad Wassertemperatur sind wir eben nicht mehr gewöhnt, in der Karibik waren es um die 26 Grad.

Als wir am Vormittag aus dem Bus gestiegen waren, hatte uns die Busfahrerin gesagt, dass der Bus immer um viertel vor zurück nach St. George's fährt. So stehen wir an der Haltestelle und warten geduldig auf den überfälligen Bus. Da hält ein Auto mit einem älteren Ehepaar darin und erklärt uns, dass der Bus in dieser Stunde nicht führe, da er um diese Zeit als Schulbus eingesetzt sei. Sie würden uns aber gerne mitnehmen. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen und steigen ein. Die beiden erzählen uns, dass sie schon einmal in Deutschland waren, und zwar zu einem Treffen ihrer Glaubensgemeinschaft, den Zeugen Jehovas, in München. Beim Abschied bittet uns der nette Herr, seinen Brüdern der Zeugen Jehovas in Deutschland doch herzliche Grüße auszurichten. Na, das machen wir doch gerne.

 

Flugzeug scheinbar zum Greifen nahe. Die ersten Leitsignale stehen im Wasser in der Annie's Bay:

 

Blick von Clearwater Beach - im Hintergrund der seit 1879 in Betrieb befindliche Leuchtturm St. David's. Die hübschen Häuser auf Bermuda sind in bunten Pastelltönen gestrichen, die Dächer sind ausnahmslos weiß:

 

Wen haben wir denn da? Viele Grüße von der kleinen Ente an die Jungs von der "Cello"!

 

Traumstrand in der Turtle Bay:

 

Verschwiegene Minibucht in der Soldier Bay:

 

Mittwoch, 13.05.2015

 

Heute machen wir uns mit den Crews der "Lubini" und der "Rote Grütze" zu einer Inselrundfahrt mit dem Bus auf. Wir wollen die Höhlen Crystal Caves besichtigen und dann über Hamilton weiter zum ganz im Westen gelegenen Royal Naval Dockyard fahren.

Für 30 Dollar pro Person werden wir zunächst in einer kleinen Gruppe in die Fantasy Cave geführt, anschließend besichtigen wir mit einer großen Gruppe die Crystal Cave. Beide Tropfsteinhöhlen mit ihren Stalaktiten und Stalakmiten sind wunderschön. Etwa 40 Meter geht es über Treppen in die Höhlen hinein. Die Höhlen sind geschickt ausgeleuchtet, und in der Crystal Cave führt ein Steg über das Wasser. Die Höhlen wurden 1907 zufällig von zwei Jungen entdeckt, die ihren Cricketball suchten. Der Ball blieb allerdings verschwunden.

Nach einer kurzen Erfrischungspause geht es mit dem Bus weiter nach Hamilton. Von dort nehmen wir die Schnellfähre und sind etwa 10 Minuten später schon ganz im Westen im Royal Naval Dockyard angekommen. Dies war ursprünglich eine riesige Marinebasis, mit deren Errichtung 1809 begonnen wurde. Heute legen hier die Kreuzfahrtschiffe an. In den historischen Gebäuden sind u. a. eine Shopping Mall und viele Kunsthandwerker mit ihren Ateliers untergebracht. So können wir zum Beispiel in einer Glasbläserei dabei zusehen, wie in vielen Arbeitsschritten eine farbenfroh gestaltete Glasschüssel entsteht.

Auch gibt es hier die Gelegenheit, mit Delphinen zu schwimmen - das machen wir aber nur am 1. April.

Mit dem Bus geht es über Hamilton zurück nach St. George's. Ein schöner Tag mit vielen Eindrücken von dieser entzückenden Insel mit ihren herrlichen Sehenswürdigkeiten geht zu Ende.

 

In der Fantasy Cave:   

 

Auch in der Fantasy Cave:

 

 

In der Crystal Cave:

 

 

Herren mit Bermuda-Shorts:

 

The Royal Naval Dockyard:

Dienstag, 12.05.2015

 

Entdeckt wurde Bermuda 1503 von dem Spanier Juan de Bermúdez. Wegen der gefährlichen Riffe ist er allerdings nicht an Land gegangen. 1511 erschien die erste Landkarte, auf der die Inselgruppe eingezeichnet ist. Darauf trägt sie den Namen La Bermuda. Spanische und portugiesische Schiffe liefen die Bermudas an, um sich mit Wasser und Fleisch zu versorgen. Die schwierigen Seeverhältnisse und auch die Angst vor bösen Geistern hielt die Europäer zunächst davon ab, Bermuda zu besiedeln.

Die ersten Siedler waren dann 1609 Auswanderer aus England auf ihrem Weg nach Amerika, die hier unfreiwillig an Land gingen, nachdem ihr Schiff, die "Sea Venture" auf ein Riff gelaufen war. Die 150 Schiffbrüchigen verbrachten hier unter der Führung von Sir George Somers zehn Monate. Und sie waren nicht untätig: Aus den Trümmern der "Sea Venture" und vor Ort gefundenem Holz bauten sie sich zwei kleinere Schiffe, mit denen sie ihre Reise nach Virginia fortsetzten. Eines der beiden Schiffe war die "Deliverance". Ein Nachbau steht hier an Land. 1612 kamen dann die ersten britischen Siedler, ganz freiwillig, und gründeten St. George's.

Wir wollen uns heute ein wenig Bewegung verschaffen. Also brechen wir zu einem Spaziergang auf und schauen uns die Umgebung von St. George's an. Dabei kommen wir an mehreren Forts vorbei, die Bermuda vor Angriffen der Spanier, Franzosen und Amerikaner schützen sollten. Das erste Fort wurde 1614 erbaut. Zum Schluss unseres Rundgangs kamen wir noch an der unvollendeten Kirche vorbei.  Aus Geldmangel und wegen Schäden, die ein Sturm angerichtet hatte, wurde der 1874 begonnene Bau eingestellt.

 

Sir George Somers - der Namensgeber von St. George:

 

Einfahrt in den St. George's Channel: 

 

Die unvollendete Kirche:

Montag, 11.05.2015

Heute waren wir wieder mit dem Bus unterwegs. Die Damen und Herren, die die pinkfarbenen Busse über die Insel lenken, geben beherzt Gas und brausen unerschrocken durch die Gegend. An Bord der Amazone werde ich nicht seekrank, aber hier im Bus stellt sich nach ein paar eng genommenen Kurven ein flaues Gefühl in der Magengegend ein.

Unser heutiges Ziel war der South Shore Park und die vorgelagerten Buchten. Von St. George ging es zunächst nach Hamilton, dort mussten wir umsteigen und noch ein Stück weiter westlich nach Southampton fahren. Die Sonne lachte vom Himmel, und wir unternahmen einen schönen Spaziergang durch den Park. Munter ging es zwischen den Bäumen bergauf und schon bald hatten wir einen wunderschönen Blick über die East Whale Bay und die Horseshoe Bay. Der Strand war gut besucht. Die Passagiere der beiden Kreuzfahrtschiffe, die in Hamilton angelegt haben, genossen das Strandleben.

Zurück an Bord gönnten wir uns eine kleine Pause, bevor wir zum zweiten Highlight des Tages aufbrachen. An Bord der "Rote Grütze" gab es etwas zu feiern - Gunther hat Geburtstag! Das Geburtstagskind hat gekocht, und so ließen wir uns gerne verwöhnen. Anschließend wurden Shantys gesungen. Ein vielstimmiger Chor, unter dem Sternenhimmel Bermudas, bei Rumpunsch und/oder einem guten Rotwein.

 

Wunderschöner Ausblick auf die Bucht vom South Shore Park aus:

 

Feiner weißer Sand und tolle Blautöne:

 

Gunther schneidet seinen Geburtstagskuchen an. Lasse von der "Anne" hat ihn gebacken:

Sonntag, 10.05.2015

Mit schöner Regelmäßigkeit wechseln sich schöne Tage und "Arbeitstage" ab. Gestern war ein schöner Ausflugstag, heute war ein "Arbeitstag". Bevor wir demnächst Richtung Azoren aufbrechen, war mal wieder eine große Inspektion des Motors fällig. Dann wird es an Bord richtig ungemütlich, die Hundekoje wird ausgeräumt, Ersatzteile und Werkzeug hervorgeholt und in Nullkommanichts sieht es im Salon aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Dann wird es für mich höchste Zeit, das ungastliche Boot zu verlassen.

Während Ingo das Motor- und Getriebeöl wechselt, allerlei kontrolliert und Filter reinigt oder austauscht, suche ich den Waschsalon im Ort auf und kümmere mich um die Wäsche. In der Zeit, in der die großen Profimaschinen für mich arbeiten, schreibe ich allerhand Postkarten. Auch auf der "Takamaka" war Waschtag, so dass ich auch noch nette Gesellschaft von Clarissa und Jonathan hatte.

Im Laufe des Nachmittags ist auch die "Muline" hier eingetroffen. Zuletzt waren wir uns in den British Virgin Islands begegnet, und wir freuen uns über das Wiedersehen. Das Ankerfeld ist wie ein kleines schwimmendes Dorf. Ab und an kommen Bekannte mit ihrem Schlauchboot längsseits, es wird ein wenig geschnackt, Verabredungen werden getroffen. So findet dieser fleißige Tag einen schönen Abschluss an Bord der "Anne".

Sonnabend, 09.05.2015

Wir hatten es uns gestern Abend so richtig gemütlich gemacht. Draußen regnete es in Strömen und  bei einem schönen Becher Kaffee haben wir Fotos für den Beitrag sortiert. Als der Beitrag und die Fotos gerade ins Netz gestellt waren, stellten wir fest, dass es immer noch regnete und der Wind sich gedreht hatte. Diese Winddrehung hatte zur Folge, dass ein Ankerlieger, der am Nachmittag hier eingetroffen war und ganz in unserer Nähe den Anker geworfen hat, der Amazone auf die Pelle gerückt war. Mit seinem Bugspriet war das Boot im Begriff, unsere Antennen von unserem Heckkorb abzurasieren.

Der Skipper des englischen Bootes schlief derweil tief und fest. Ingo hat versucht, ihn durch Klopfen an dessen Bugkorb zu wecken. Ein wahres Trommelfeuer ging auf die Yacht hernieder, aber es rührte sich rein gar nichts. Schließlich ist Ingo auf das fremde Boot geklettert, hat in die Kajüte gespäht, aber niemanden entdeckt. Dann hat er die Ankerkette um einige Meter weiter abgelassen, so dass das Boot sich achteraus entfernte. Mit einer zuvor belegten Leine habe ich Ingo mit dem fremden Boot zu uns herangezogen, so dass er wieder auf die Amazone zurückklettern konnte.

Heute Morgen, im hellen Sonnenschein, haben wir uns dann hinter dem Engländer einen anderen Ankerplatz gesucht. Als der Skipper sich im Cockpit blicken ließ, hat Ingo ihm erzählt, was sich ereignet hatte und wie er das Problem gelöst hat. Darauf meinte der Typ, er habe doch extra Fender aufgehängt! Was für Schäden sein derber Bugspriet anrichten kann, hat er anscheinend überhaupt nicht bedacht. Unglaublich, was für einen festen Schlaf der Mensch gehabt haben muss. Schließlich war Ingo bei ihm an Bord und die Ankerkette hat auch vernehmlich gerasselt. Ja, das sind Ankerfreuden!

Heute waren wir mit Petra und Klaus von der "Lubini" verabredet, um gemeinsam einen Ausflug in die Hauptstadt Hamilton zu machen. Eine Autovermietung gibt es hier nicht. Das angesagte Verkehrsmittel ist hier der Motorroller. Wir haben allerdings den Bus genommen. Alle 15 Minuten fährt er von hier aus nach Hamilton. Etwa 45 Minuten dauerte die Fahrt vom Osten der Insel in den Westen. Pro Fahrt und Person hat es 4 Dollar gekostet. Der Busfahrer trug natürlich Bermuda-Shorts und Kniestrümpfe. Hamilton ist eine schöne Stadt mit mehreren Parks, einem Fort, vielen Kirchen, großen Bürogebäuden, Geschäften und Restaurants. Das morgen Muttertag ist, war hier nicht zu übersehen. Kaum ein Schaufenster, in dem nicht für den "Happy Mother's Day" geworben wurde. Im Supermarkt gab es grellbunte Torten mit dem Schriftzug: "Relax, Mom". An der Kasse wünschte mir die nette Mitarbeiterin sogar einen schönen Muttertag. Bei angenehmen 21° Lufttemperatur haben wir einen ausgedehnten Stadtbummel unternommen. Am frühen Abend waren wir zurück an Bord und ziemlich geschafft.

 

Bezahlt wird hier entweder mit US-Dollar oder dem hübschen Bermuda-Dollar (Umrechnungskurs 1 : 1). Teuer - teuerer - am teuersten, das können wir auch so übersetzen: Karibik - British Virgin Islands - Bermudas

 

Rathaus von St. George:

 

 

Folter wird anscheinend ganz unterschiedlich wahrgenommen:

 

Edler Clubraum im RBYC - Royal Bermuda Yacht Club in Hamilton:

 

Hübsches Mädchen im Queen Elizabeth Park:

 

Fort Hamilton, wobei der Eindruck täuscht. Die Anlage ist tatsächlich sehr gepflegt:

Freitag, 08.05.2015

Wir hatten uns ja wie gewünscht per Mail bei der Hafenbehörde der Bermudas angemeldet und eine Registrierungsnummer bekommen. Etwa 25 Seemeilen vor der Ankunft haben wir per UKW-Funk Kontakt zu Radio Bermuda aufgenommen. Der sehr hilfsbereite Mitarbeiter hatte uns schon auf dem Schirm und hieß die Amazone aus Bremerhaven herzlich auf den Bermudas willkommen. Er stellte noch ein paar Fragen und bat uns dann, uns erneut zu melden, wenn wir den St. George's Channel, der Einfahrt in die Ankerbucht vor St. George, erreicht haben. Als es dann soweit war und wir die betonnte Zufahrt erreicht hatten, gab er uns weitere Informationen. Noch nirgends sind wir so freundlich empfangen worden. Dieser Service ist vor allem bei Dunkelheit und schlechtem Wetter eine unschätzbare Hilfe.

Auch die beiden Mitarbeiter von Customs und Immigration waren wirklich nett und hilfsbereit. Sogar Pläne von der Insel und einige Informationsbroschüren wurden uns überreicht. Das Büro ist an jedem Tag von 8 bis 24 Uhr geöffnet. Wenn wir demnächst wieder ausklarieren, genügt es, eine Stunde vor dem geplanten Auslaufen dort zu erscheinen.

Es war eine richtig große, internationale Seglerinnen- und Seglerrunde, die sich da gestern zum Barbeque auf der kleinen Insel hier in der Bucht eingefunden hatte. Einige bekannte Gesichter waren dabei, viele neue Bekanntschaften haben wir gemacht. Es gab eine Menge zu erzählen, die Zeit verging wie im Fluge, und irgendwann fuhren wir mit der kleinen Gummiwurst zurück an Bord und fielen todmüde in unsere Koje.

Hier in der Bucht von St. George liegen wir ganz geschützt. Die Amazone kommt nach ihrem Marathon auf See richtig zur Ruhe und wir können tief und fest schlafen. Sogar eine ganz passable Internetverbindung haben wir hier, so dass wir uns am heutigen Vormittag unseren Mails gewidmet haben. Irgendwann fing es an zu regnen, so dass die Amazone eine lang ersehnte Süßwasserdusche bekam. In einer kurzen Regenpause sind wir an Land gefahren und haben uns ein wenig in dem hübschen Ort umgesehen und auch einiges erledigen können.

Den Landgang haben wir dann mit einem Besuch in einer gemütlichen Kneipe abgeschlossen. Hatte ich in der Karibik immer gerne ein Tonic Water mit ganz viel Eis bestellt, bin ich jetzt lieber auf heißen Kaffee umgestiegen. Es regnete unaufhörlich, alles war grau in grau und trotz langer Hose war mir kalt. Die Crews der "Lubini" und der "Rote Grütze" leisteten uns Gesellschaft, so dass es gar nicht mehr so schlimm war, dass es draußen Bindfäden regnete.

 

Jean-Pierre Straub, der Intarsien-Künstler von St. Martin, in seinem Atelier:

 

Au revoir St. Martin, good bye Karibik - es war einfach eine wunderschöne Zeit:

 

Hier saust "Elvis", der 19 Meter lange Katamaran, mit 10 Knoten Fahrt an uns vorbei:

 

Und wieder wird eine neue Gastlandflagge gehisst:

 

Einfahrt in den St. George Channel/Bermuda:

 

Blick über die Ankerbucht:

Donnerstag, 07.05.2015

Heute Morgen um 9.45 Uhr haben wir nach 876 Seemeilen St. George auf den Bermudas erreicht. Etwa die letzten 70 Seemeilen mussten wir leider unter Maschine zurücklegen, weil der Wind gegen 20 Uhr einschlief. Vor genau einer Woche haben wir die Karibik verlassen und schon sind lange Hosen, Socken, Schuhe und eine kuschelige dicke Bettdecke gefragt. Der Himmel ist bedeckt, es ist um die 20° Grad warm.

Die "Takamaka", "Anne", "Rote Grütze" und "Lubini" liegen hier schon vor Anker, und so drehten wir eine schöne "Winke-Winke-Wir-sind-auch-da!"-Begrüßungstour durch das Ankerfeld auf dem Weg zum Anleger von Customs und Immigration. Die Formalitäten waren schnell erledigt. Pro Person waren 35 US Dollar fällig, und wir dürften uns jetzt drei Monate auf den Bermudas aufhalten.

Wir ankern hier in fünf Meter tiefem Wasser, und Ingo taucht gerade, um sich das Unterwasserschiff einmal aus der Nähe genau anzusehen. Außer ein bisschen Farbe scheint dem Ruder nichts zu fehlen - Glück gehabt. Der Wal hat vermutlich eine Schramme abbekommen, das tut uns leid. Die Amazone und der Wal waren eben zur falschen Zeit am falschen Ort. In unserem "Handbuch für den Atlantischen Ozean" von Jane Russell habe ich übrigens zu dem Thema "Kollisionen" folgendes gelesen: "... Es gibt viele Berichte von Crews, die sehr enge Begegnungen mit Walen hatten. Es kommt zwar selten vor, doch es hat schon Kollisionen mit den Tieren gegeben. Pottwale dösen häufig an der Oberfläche und können dabei von einer sich nähernden Yacht völlig übersehen werden." Wir glauben, dass es tatsächlich ein an der Oberfläche dösender Pottwal war, dem wir in die Quere gekommen sind. Auch der für Pottwale typische eckige Kopf, den wir gesehen haben, spricht dafür.

Heute Nachmittag gibt es auf einer der kleinen Inseln hier ein Barbeque. Wir schlafen jetzt erst mal ein bisschen, kaufen dann etwas zum Grillen und freuen uns schon auf die große Runde auf der kleinen Insel.

Mittwoch, 06.05.2015, 12.00 Uhr

Position 30° 36,0' N; 64° 24,3' W; Etmal: 152 sm, 106 sm Rest

Wir preschten bei fünf bis sechs Windstärken und hohem, konfusem Seegang mit einem Reff im Großsegel und kleiner Fock mit gut sechs Knoten Fahrt durch das mehr als 5.000 Meter tiefe Wasser, als uns vielleicht ein paar Zentimeter Wasser vor einem großen Unglück bewahrten. Und das kam so:

Wir saßen gegen 17.30 Uhr, etwa 210 Seemeilen vor den Bermudas, gemeinsam im Cockpit, als es wie aus dem Nichts am Ruderblatt heftig polterte. Mein erster Gedanke war gleich, dass wir über etwas drüber gefahren sein mussten. Beide blickten wir zur Pinne und in unser Kielwasser. Ingo hat ihn dann als erster gesehen: "Ein Wal! Wir sind mit einem Wal kollidiert!" Wir sahen direkt an unserem Heck einen großen, eckigen Kopf, ein kleines Auge, das uns fixierte und eine relativ kleine Rückenflosse auf einem riesigen, grauen Körper. Und dann stieß der Wal eine Fontäne, den sogenannten Blas, aus. Vielleicht vor Schreck oder vor Empörung, dass wir ihn unsanft geweckt hatten? Sofort haben wir die Kette der Windfahnensteuerung aus dem Beschlag an der Pinne genommen, und ich habe von Hand gesteuert. Zu unserer großen Erleichterung war mit dem Ruder alles in Ordnung. Als nächstes hat Ingo in die Bilge geschaut, ob wir eventuell Wassereinbruch haben. Aber zum Glück war auch hier alles in Ordnung. Außerdem haben wir die Position und den Vorfall als "Besonderes Vorkommnis" im Logbuch notiert.

Wir sind nicht in Hektik verfallen, sind ruhig geblieben und haben alle Schritte besonnen überlegt, aber natürlich ist uns ein großer Schreck in die Glieder gefahren. Jetzt, wo ich das Ereignis schildere, zittere ich doch wieder ein bisschen. Und jetzt komme ich auf die vielleicht rettenden Zentimeter Wasser zurück: Wir haben den Vorfall so rekonstruiert, dass wir den (schlafenden?) an der Wasseroberfläche treibenden Wal mit unserem Ruder gestreift haben müssen. Wahrscheinlich hat uns eine Welle im richtigen Moment etwas angehoben, so dass die Amazone nur relativ leicht von dem Wal genau am Ruder getroffen und leicht von ihm angehoben wurde. Jedenfalls sind wir uns sicher, dass wir das Tier nicht mit dem Kiel berührt haben.

Das Ruderblatt ist bei einem Boot ein sehr exponiertes Teil und macht es dort "verwundbar". Nun ist es bei der Amazone allerdings so, dass sie kein völlig freistehendes Ruderblatt hat. Es ist durch ein sogenanntes Skeg geschützt. Das Skeg befindet sich wie ein Aufprallschutz direkt vor dem Ruderblatt. Es ist, genau wie das Ruderblatt selbst, aus Edelstahl gefertigt. Das Skeg ist mit drei Rohren, das Ruder mit einem Rohr mit dem Rumpf verbunden. Am unteren Ende ist das Skeg mit dem Ruderblatt durch eine Edelstahlplatte verbunden. Es befindet sich dort auch ein Lager.

Wir segeln hier ganz allein durch diese endlos scheinende Weite, Platz ohne Ende sollte man meinen. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass der Wal und die Amazone sich ausgerechnet hier treffen? Das war ein Szenario, vor dem sich alle Seglerinnen und Segler fürchten. Keine noch so ausgefeilte Elektronik schützt uns vor einer solchen Kollision. Letztlich hatten wir großes Glück im Unglück und sind im wahrsten Sinne des Wortes an einer Katastrophe vorbeigeschrammt.

Im Laufe der Nacht hat der Wind abgeflaut, wir haben im Morgengrauen das Großsegel ganz ausgerefft und die Genua ganz ausgerollt. Bei etwa vier Windstärken zuckeln wir jetzt bei östlichem Wind friedlich dahin. Der Seegang hat sich beruhigt, das Leben an Bord ist wieder leichter geworden. Morgen im Laufe des Vormittags sollten wir die Bermudas erreicht haben. Nur noch eine Nacht um die Ohren schlagen - was für eine schöne Aussicht!

Dienstag, 05.05.2015, 12.00 Uhr

Position 28° 7,0' N; 64° 7,7' W; Etmal: 141 sm, 258 sm Rest

Gestern hat der Wind im Laufe des Nachmittags noch etwas zugelegt. Gegen 16 Uhr haben wir das zweite Reff ins Segel gebunden, zum ersten Mal auf dieser Reise und damit auch zum ersten Mal in dieses Segel. Mit kleiner Fock und zwei Reffs preschten wir trotz dieser Verkleinerung der Segelfläche immer noch mit gut sechs Knoten Fahrt durch die unruhige See. Jede Menge Spritzwasser nehmen wir über, so dass das Bimini uns jetzt im Cockpit nicht nur gegen die Sonne schützt, sondern auch gegen das überkommende Seewasser.

Wir sind aber nicht die einzigen, die sich hier munter durch den Nordatlantik wühlen. Ein Boot, dessen AIS-Signal wir seit ein paar Tagen auf dem Plotter sehen, zog gestern Abend in einigen Meilen Abstand an uns vorbei. Am Horizont sahen wir das weiße Segel. Kurz vor Sonnenuntergang überholt uns dann dicht an Steuerbord "Elvis". Auch das AIS-Signal hatten wir schon lange, bevor das Segel achteraus am Horizont zu sehen war, auf dem Plotter verfolgt. "Elvis" ist 19 Meter lang, 8 Meter breit und düst mit 10 Knoten Fahrt locker auf zwei Rümpfen an uns vorbei - ein Katamaran.

Bei bis zu sechs Windstärken hoch am Wind ist es an Bord ungemütlich, laut, beschwerlich und stickig. Lüften ist immer noch nicht möglich. Jetzt heißt es auch, sich sehr gut festzuhalten. Der Seegang ist immer noch zwei Meter hoch und einigermaßen konfus. Wir haben alles seefest verstaut, es fällt nichts herunter, in den Schränken klappert nichts. Das einzige, was hin und her geschubst wird, sind wir. Die Wellen poltern weiterhin unablässig laut an den Rumpf.

Heute Morgen zur Wachablösung um Mitternacht, saßen wir uns erstmals seit Monaten in dicken Jacken gegenüber. Es hatte sich zum ersten Mal empfindlich abgekühlt und ein seit Monaten nicht mehr gekanntes Gefühl stellte sich ein - ich fror! Bei der nächsten Wachablösung gegen 4 Uhr heute Morgen hatte es soweit abgeflaut, dass wir ein Reff wieder losbinden konnten. Mal sehen, wie die Wind- und Wettervorhersage aussieht, wenn wir sie gleich auf den Rechner bekommen. Zwei Drittel der Strecke haben wir zurückgelegt, übermorgen sollten wir die Bermudas erreichen - was für ein sympathischer Gedanke!

Montag, 04.05.2015, 12.00 Uhr

Position 25°48,0' N; 63° 47,5' W; Etmal: 106 sm, 396 sm Rest

Von dem vorhergesagten Regen haben wir nur ein paar Tropfen abbekommen, worüber wir jedoch nicht traurig sind. Wie vorhergesagt nahm der Wind zunächst ab, drehte auf Nordost, kam aber im Laufe der Nacht zurück und nahm auf 4 Beaufort zu. Heute Vormittag legte der Wind noch etwas zu, wir segeln jetzt bei 4 bis 5, in Böen 5 bis 6 Beaufort am Wind. Die Sonne lacht vom Himmel, die Wellen haben Schaumkronen und sind knapp zwei Meter hoch. Leider haben wir seit einiger Zeit etwa 1 Knoten Gegenstrom, was auch zu dem etwas mageren Etmal von 106 Seemeilen beigetragen hat. Wegen des immer wieder überkommenden Spritzwassers können wir leider die Luke im Salon nicht öffnen, so dass es bei 30° im Boot stickig ist.

Trotz der erheblichen Zuladung durch Proviant, volle Tanks und Kanister prescht die Amazone ungerührt durch die bewegte See. Sie und Peter, unsere Windfahnensteuerung, sind inzwischen eine harmonische Beziehung eingegangen. Wie in jeder Beziehung sind auch die beiden sich nicht immer ganz einig, in welche Richtung es gehen soll. Doch ein Eingreifen durch den jeweils Wachegehenden ist nur ab und zu nötig.

Es heißt, dass sich auf einem längeren Törn am dritten Tag die Bordroutine einstellt. Bei uns an Bord trifft das auch zu. Wir gehen im vier Stunden Rhythmus unsere Wachen, während der Freiwachen versucht jeder, so viel Schlaf wie möglich zu bekommen. Bei diesem Am-Wind-Kurs ist das allerdings nicht ganz so einfach. An der Außenhaut zischt gurgelnd das Wasser vorbei, der volle Einbauwassertank gluckert vor sich hin, ab und zu knallt eine Welle heftig ans Vorschiff, die ganze Schaukelei ist anstrengend.

Laut der aktuellen Wind- und Wettervorhersage werden wir wohl noch bis heute Abend so weiter preschen. Dann soll der Wind allmählich etwas abflauen und ein paar Grad günstiger wehen, so dass wir nicht mehr ganz so schräg unsere Bahn ziehen.

Sonntag, 03.05.2015, 12.00 Uhr

Position 24°03,8' N; 63° 37,2' W; Etmal: 123 sm, 500 sm Rest

Gestern Nachmittag hat mal wieder ein großer Mahi Mahi angebissen! Zwei Stunden später konnten wir uns seine leckeren Filets schmecken lassen. Das Tier war 1 Meter lang und sehr kräftig, Fisch satt für drei Tage.

Wir zuckeln mit etwa vier Knoten nur mit ausgebaumter Genua dahin. In der letzten Nacht musste die Maschine hin und wieder angeworfen werden, um schneller voranzukommen. Die Wind- und Wettervorhersage, die wir gerade bekommen haben sagt voraus, dass der Wind heute im Laufe des Tages von Süd auf West, dann auf Nord und später auf Nordost drehen und weiter abnehmen soll. Es soll schwachwindig und regnerisch werden, der Seegang soll etwa zwei Meter betragen. Hört sich nicht besonders gemütlich an, aber es könnte schlimmer sein.

Die Temperaturen werden allmählich fallen. Tagsüber erreichen sie jetzt noch 26°, nachts 24°. Bei unserer Ankunft, die wahrscheinlich am Donnerstag sein wird, sollen auf den Bermudas tagsüber 20° und nachts 18° herrschen.

Mit schlafen, lesen, kochen, essen, duschen und natürlich die Amazone auf Kurs halten und die Segelstellung kontrollieren, die Wind- und Wettervorhersage herunterladen und einen Bericht schreiben, vergehen die Tage schnell.

Heute Morgen kamen kurz nach dem Sonnenaufgang einige Delphine vorbei und umspielten Amazones Bug. Netter Besuch, immer wieder gern gesehen.

Sonnabend, 02.05.2015, 12.00 Uhr

Position 22° 2,6' N; 63° 27,6' W; Etmal: 129 sm, 624 sm Rest

Die aktuelle Wind- und Wettervorhersage haben wir gerade bekommen. Die Tendenz geht zu abnehmendem Wind. Am späten Nachmittag schlief gestern erneut der Wind ein, und der Motor musste für vier Stunden aushelfen. Kurz nach 20 Uhr kam der Wind mit etwa vier Beaufort zurück, so dass wir mit Großsegel und Genua in die ruhige Nacht schaukelten. Es ist fast Vollmond, ein breites silbriges Band lag auf dem Wasser, und der Mondschein erhellte das Cockpit. Die Nacht war sternenklar und lud dazu ein, seine Gedanken bis zum Horizont und noch viel weiter schweifen zu lassen.

Am frühen Morgen ging dem Wind abermals die Puste aus, und der Volvo durfte für zwei Stunden für unsere Fortbewegung sorgen. Seit halb fünf heute Morgen zieht uns die ausgebaumte Genua mit vier bis sechs Knoten Fahrt über Grund unserem Ziel entgegen.

Unsere Windpilot Windfahnensteuerung sorgt dafür, dass die Amazone auf ihrem Kurs bleibt. "Peter", wie wir sie getauft haben, macht seine Sache gut. Nur ab und zu bedarf es einem kurzen Zupfen an der Steuerungsleine, um eine kleine Korrektur vorzunehmen. Hin und wieder müssen wir allerdings das Steuerungsruderblatt vom Seetang befreien.

Da sind sie wieder, nicht, dass wir sie tatsächlich vermisst hätten: die Fliegenden Fische. Gestern und auch heute Morgen lagen jeweils drei kleine, getrocknete Exemplare an Deck. Sie haben eine ordentliche Seebestattung bekommen. Inzwischen ist das Wasser wieder "flacher" - nur noch 5.300 Meter tief. In der ersten Nacht segelten wir auf über 7.000 Meter tiefem Wasser. Noch nie zuvor hatte die Amazone so viel Wasser unter dem Kiel.

Freitag, 01.05.2015, 12.00 Uhr

Position: 19° 55,8' N; 63° 18,9' W; zurückgelegt: 115 sm, 751 sm Rest

Wir sind gestern Vormittag ein letztes Mal an Land gefahren, haben das Schlauchboot bei Shrimpys Dinghy Dock festgemacht und uns die Zeit, bis die Wind- und Wettervorhersage kurz nach elf Uhr auf unserem Rechner war, mit einem Spaziergang vertrieben.

Von Dörte und Paul hatten wir erfahren, dass es hier in St. Martin einen Künstler gibt, der wunderschöne Bilder mit Intarsienarbeiten fertigt. Sein Atelier hat Monsieur Straub in einer kleinen Seitenstraße in einer ehemaligen Segelmacherwerkstatt. Es liegt ziemlich versteckt, doch wir haben es schließlich gefunden und den Künstler bei der Arbeit angetroffen. Ein hübsches Atelier hat er sich hier geschaffen. In einem Teil des kleinen Gebäudes steht seine Werkbank, an der er die filigranen Holzfurnier-Einlegearbeiten erstellt. Im anderen Teil hat er seine Werke ausgestellt. Wir sind mit dem netten Monsieur Straub ins Gespräch gekommen, und er hat uns gezeigt, wie seine Werke entstehen. Nicht ganz billig, so eine Einlegearbeit für die Wohnzimmerwand. Aber billig sieht es auch nicht aus, sondern ausgefallen, mit karibischen Motiven. Der Künstler stammt ursprünglich aus dem Elsass, war sechs Jahre mit seinem Segelboot unterwegs, ist hier auf St. Martin hängengeblieben. Aus einem geplanten sechsmonatigen Aufenthalt sind inzwischen schon 16 Jahre geworden.

Nach dem Besuch im Atelier haben wir dann bei Shrimpy die Wind- und Wettervorhersage auf unseren Rechner bekommen. Für die nächsten fünf Tage sind es ganz vielversprechend aus, und wir beschließen, heute die Karibik Richtung Bermudas zu verlassen. Wir verabschieden uns von Michael "Shrimpy" Glatz, und fast schon liebevoll wendet er sich an unser Schlauchboot: "Mach's gut, kleine Gummiwurscht!"

Gegen 13.30 Uhr holen wir zum letzten Mal unseren Anker aus dem türkisfarbenen Wasser mit dem herrlich weißen Korallensand. Langsam tuckern wir aus dem Ankerfeld, setzen die Segel und schon nimmt die emotionale Achterbahn rasante Fahrt auf. Wie schwer mir der Abschied fällt! Es war so eine wunderbare Zeit mit so unglaublich vielen, schönen und interessanten Eindrücken. Mein Papa hat immer gesagt: "Ein Seemann guckt immer nach vorn." Und genau das machen wir jetzt auch. Nach vorne sehen, auf die nächsten Ziele und Eindrücke gespannt sein, uns auf zu Hause freuen - Rolling home!

Bei fast achterlichem Wind kommen wir mit Großsegel und Genua ganz gut voran, bevor am frühen Nachmittag der Wind einschläft und wir den Volvo um seine Unterstützung bitten. Gegen 20.30 Uhr kommt der Wind mit etwa vier Beaufort zurück und wir segeln in eine ruhige Nacht. Obwohl hier unheimlich viel Platz ist, kommt uns gegen 0.30 Uhr ein Frachter sehr nahe. Etwa eine halbe Stunde verfolge ich auf unserem Plotter sein AIS-Signal und stelle fest, dass er unbeirrt an dem Kollisionskurs festhält. Er ist mit 12 Knoten Fahrt auf dem Weg nach Columbien. Da habe ich auch gar nichts dagegen, aber er soll uns auf seinem Weg bitteschön nicht versenken. Schließlich spreche ich ihn über UKW-Funk an und bekomme umgehend ein Antwort. Er wird seinen Kurs ändern und hinter unserem Heck durchgehen. Prima, danke! Er passiert uns dann mit ordentlich Abstand, was bedeutet, dass er seinen Kurs radikal geändert hat. Dieses Automatische Identifizierungs System ist wirklich mein Lieblings-Ausrüstungsgegenstand!

Später kreuzte noch ein Frachter unseren Kurs, allerdings ohne uns in die Quere zu kommen. Auch zwei Segelyachten gingen vor uns durch, vielleicht sind sie auf direktem Kurs zu den Azoren. Jetzt gerade segeln wir bei herrlichem Sonnenschein mit vollem Groß und voller Genua bei vier Beaufort südöstlichem Wind und Seegang von 1,7 m. Die aktuelle Wind- und Wettervorhersage ist auch schon da. Eine gravierende Änderung der Bedingungen tritt zunächst nicht ein. Am Sonntag werden wir es wohl mit sehr wenig Wind aushalten müssen. Na ja, es gibt Schlimmeres.