Freitag, 29.05.2015, 12.00 Uhr
Position 38° 48,7' N; 42° 59,7' W; Etmal: 89 Seemeilen; Rest: 550 Seemeilen
Weiterhin fehlt uns zu unserem vollkommenen Glück der Wind. Wir dieseln nordöstlichen Kurs, dem vermeintlichen Wind hinterher. Der Volvo fragt sich wahrscheinlich schon längst, ob wir ihn vielleicht vergessen haben, einfach vergessen haben, ihn abzustellen. Wir sind mit den Crews der "Anne" und der "Lubini" per Mail und Satellitentelefon in Kontakt. Auch sie dieseln tapfer durchs blaue, unendliche Nirgendwo. Über Funk hören wir Gespräche einiger ARC-Teilnehmer. Sie wollen sich ebenfalls nördlich halten, da dort morgen vielleicht ein Lüftchen weht, dass sie gen Osten bringt.
Wir überschlagen unseren Dieselverbrauch und unseren Vorrat, und es steht fest, dass wir auf keinen Fall die ganze restliche Strecke mit Motor fahren können. So weit reicht der Diesel nicht. Wir hoffen auch, dass es gar nicht nötig ist, dass wir irgendwann wieder Wind bekommen und endlich wieder segeln können.
Die See hat sich weiter beruhigt, sie ist jetzt nicht mal mehr leicht gekräuselt, sonder fast spiegelglatt. Im hellen Mondschein verlief meine Nachtwache bei einem guten Buch und einer Kanne schwarzen Tee völlig unspektakulär. Allerdings sind die Zeiten, in denen Nachts barfuß, in T-Shirt und Shorts Wache gegangen werden konnte, endgültig vorbei. Mit langer Hose, Fleece-Jacke und dicker Teddyfell-Jacke, an den Füßen dicke Socken und Seestiefel verbringe ich die Nachtwachen und freue mich über den heißen Tee.
Back-Tag war gestern, heute ist Dusch-Tag, Lese-Tag war vorgestern, gestern und ist auch heute. Die CD der Gruppe "Santiano" dudelt ein ums andere Mal. In einem ihrer Lieder heißt es: (...) "Was macht ein Seemann, wenn mal Flaute ist, was macht ein Seemann dann? Dann flucht er laut, so laut, wie er nur fluchen kann, das macht ein Seemann dann!" Geflucht hat bei uns an Bord bis jetzt noch niemand, wahrscheinlich würde der Volvo sich bitter beschweren, wenn er könnte. Aber bis jetzt macht er brav, wozu er schließlich an Bord ist - er brummt vor sich hin. Wir nehmen es, wie es kommt. Im Schneckentempo nähern wir uns Meile für Meile dem Ziel. Meilenfressen mal gemächlich.