Freitag, 28.11.2014, 5. Tag auf See
Position um 12.00 Uhr: 20°40,4 ' N;22°17,2 ' W
Etmal: 130 Seemeilen ( 274 Seemeilen liegen noch vor uns)
Gestern Nachmittag gab es für uns noch ein kleines Highlight: Wir haben mal wieder einen Fisch gefangen! Der neue Köder, der gestern zum ersten Mal zum Einsatz kam, scheint auf die Fische eine verlockende Wirkung zu haben. Eine ziemlich große Goldmakrele zappelte am Haken, schaffte es aber leider nicht bis in die Bratpfanne. Sie hat sich kurz vor ihrem sicheren Ende vom Haken befreien können. Ein Artgenosse hatte kurze Zeit später nicht so viel Glück. Frischer kann Fisch nicht sein, und er hat entsprechend lecker geschmeckt.
Die Nacht verlief wieder ruhig. Unter ausgebaumter Genua zieht die Amazone ihre Bahn, und wir kommen mit 4 bis 6 Knoten gut voran. Der Wind hat von raumem Wind auf halben Wind gedreht, so dass Ingo den Genuabaum wegnehmen und auch das Großsegel setzen kann.
Der Skipper hat seine Wache beendet, ich bin wieder dran. Die Sonne klettert über den Horizont, ich schaue in die Runde. Es gibt nichts, wirklich gar nichts, an dem der Blick hängen bleiben könnte. Weite, relativ ruhige See, soweit das Auge reicht. Mir wird in diesem Moment bewusst, wie besonders das ist. Kein anderes Schiff, kein Leuchtturm, kein Flugzeug, keine Hochspannungsmasten, keine Hochhäuser, keine Klippen, keine Fischerbojen. Nichts - nur Wasser und wir. Die Amazone wird meistens durch eine Selbststeueranlage auf Kurs gehalten. Entweder durch die Windfahnensteueranlage oder durch den elektrischen Autopiloten. Aber jetzt ist so ein Moment, wo ich selber steuern und segeln möchte. Also flugs den Autopiloten abgeschaltet und los geht's. Über meine Kopfhörer höre ich Musik, "Sailing" von Rod Stewart und "Morning has broken" von Cat Stevens sind dabei. Passender geht es nicht. Ich weiß, dass die See brutal und grausam sein kann, aber wenn sie mir solche Momente wie jetzt beschert, genieße ich sie in vollen Zügen. Ich möchte in diesem Augenblick mit niemandem auf der Welt tauschen und nirgends woanders sein.
Ein irritierter und noch etwas verschlafener Ingo guckt dann irgendwann aus dem Niedergang zu mir hoch. Er hatte mich von der Koje aus gerufen und keine Antwort erhalten - für mich hatte Andreas Bourani gerade so schön laut "Auf uns" gesungen. Als er mich glücklich und zufrieden mit Kopfhörern an der Pinne sitzen sieht, kann er sich wieder entspannen.
Gerade hat Ingo die Wettervorhersage bekommen und ausgewertet. Er gibt mir eine Zusammenfassung, und ich stelle fest: "Also nichts Böses." Ingos Antwort: "Ne, kein Regen." Hier an Bord versteht offensichtlich unter "dem Bösen" jeder etwas anderes. Ich hatte bei meiner Feststellung eigentlich an Starkwind gedacht. Aber auch der ist bis jetzt nicht in Sicht. An Bord ist alles wohlauf.