Sonnabend, 19.07. bis Montag, 21.07.2014

 

Am Sonnabend hat um 7.00 Uhr der Wecker geklingelt, weil wir vor unserem Biskaya-Törn noch einiges zu erledigen hatten. Als erstes noch ein letztes Mal die Peepshow im Duschraum erleben. Fiel aber leider aus, weil Ingo und ich alleine im Duschraum waren. Dann frühstücken und kurz nach acht Uhr die Wind- und Wettervorhersage auf den Rechner laden und auswerten. Sieht nicht schlecht aus: zunächst nur schwacher Wind von vorne, in der ersten Nacht soll er drehen auf Nordwest, 4 bis 5 zunehmend. An den weiteren Tagen und Nächten soll der Wind mal mehr, mal weniger aus Nordwest und Ost wehen. Wir segeln Süd-Südwest-Kurs (207 Grad), so dass die vorhergesagten Winde aus diesen verschiedenen Richtungen in den vorhergesagten Stärken  von 1 bis 6  - also keine 7 mehr - für uns annehmbar sind. Besser bekommen wir es wohl hier nicht.

Um 10.15 Uhr verlassen wir bei herrlichem Sonnenschein und wenig Wind unseren letzten französischen Hafen Camaret. Ziel ist Cedeira in Spanien, dort ist eine geschützte Ankerbucht nordöstlich von La Coruna. Nach drei Tagen und zwei Nächten auf See wollen wir dort ausschlafen und am Tag darauf nach La Coruna segeln.

Quel malheur!

Es ging dann unter Maschine los. Sonnenschein, relativ ruhiges Wasser. Ingo hat die Angel ausgepackt und versucht sein Glück damit, ich habe den Abwasch erledigt. Das reinste Idyll - aber das dicke Ende kam alsbald: Entgegen jeder Regel und Vernunft, hatte ich kurz nach dem Verlassen des Hafens die Luken im Salon und Vorschiff geöffnet. Frische Luft sollte ins Boot kommen. Gegen 13.30 Uhr hatten wir die Landspitze Pointe du Raz erreicht, und der Seegang wurde rauer. Wir sind mit acht Knoten über Grund unterwegs, als sich vor uns wie aus dem Nichts eine Art Brandungswelle erhebt. Ingo nimmt sie im letzten Moment wahr, und dann fallen ihm die offenstehenden Luken ein! Aber es ist zu spät: durch die große Luke im Vorschiff ergießt sich unser ganz persönlicher Niagarafall.

Ich kann es nicht fassen, blicke wie erstarrt auf diesen Schwall von gefühlten 348 Liter reinen Atlantikwassers. Dumm gelaufen. Die See verzeiht keine Fehler, und es war ein Fehler, die Luken auf See zu öffnen. Es brach dann hektische Betriebsamkeit an Bord aus. Das Vorschiff musste komplett ausgeräumt und die Bilge trockengelegt werden. Gemeinsam gingen wir die Schadensbegrenzung an und bekamen das Ganze ganz gut in den Griff. Im Salon und im Cockpit herrschte ein unglaubliches Durcheinander. Zum Glück war es warm, die Sonne schien, die Polster konnten im Cockpit getrocknet werden, und einiges wurde an der Reling aufgehängt.

Und so kam es, dass die stolze Amazone die ersten Meilen ihrer Biskaya-Überquerung als fahrender Wäscheständer zurücklegen musste. Wie peinlich ist das denn? Der Papp-Admiral steht hoch und trocken im Schrank und schaut noch spöttischer als sonst in die Runde. Ich bin mir sicher, dass er den Kopf geschüttelt hätte, wenn er denn gekonnt hätte.

Die erste Nacht verlief ganz ruhig. Unter Großsegel und Unterstützung durch den Volvo fahren wir bei schwachem südlichen Wind durch die Nacht. Nur ein einziger Segler kommt uns entgegen, sonst gibt es keine weiteren Kontakte. Irgendwann nach Mitternacht besuchen uns Delphine und tauchen leider bald wieder ab. Der Sternenhimmel ist beeindruckend, die Atlantikdünung langgezogen und sanft.

Gegen 1 Uhr kommen wir allmählich zum Festlandsockel. Hier fällt die Wassertiefe von 100 Meter auf über 5.000 Meter ab.  5.000 Meter - dass sind ungefähr 50.000 Handbreit Wasser unter dem Kiel. Schwindelerregende Zahlen und auch ein bisschen gruselig, wie ich finde.

 

Sonntag, 20.07.2014

Endlich erscheint der vorhergesagte Nordwestwind mit 3 bis 5 Beaufort. Mit Großsegel und Genua ist es herrliches Segeln. Die Polster trocknen weiter in der Sonne im Cockpit. Die Amazone, dieser kleine Hochseevogel, sieht mit den Gerätschaften (Windgenerator, Windfahnensteuerung, Solarpaneel) nicht nur aus wie ein Hochseevogel, jetzt ist sie wirklich einer. Auch die zweite Nacht verläuft ruhig. Die Sterne weisen uns den Weg, der Volvo ruht sich aus, und die Amazone zieht mit 6 bis 7 Knoten mit Großsegel und Genua auf ihrem Halbwindkurs über die Biskaya, alles ist gut.

 

Montag, 21.07.2014

Wir sind jetzt den dritten Tag auf See, und die Bordroutine kehrt ein. Bei östlichen Winden von 3 bis 6 Beaufort kommen wir gut voran. Am Nachmittag kommt dann Land in Sicht - es sind die Berge der spanischen Küste.  Ingo versucht dann nochmal sein Anglerglück. Plötzlich kommt Unruhe auf - die Angel biegt sich enorm, ein großer Fisch muss angebissen haben! Beim Einholen der Angelschnur stellen wir dann enttäuscht fest, dass Ingo leider nur eine Plastikfolie aufgefischt hat. Schade. Die Folie stopfen wir zu dem anderen Plastikmüll, der sich hier an Bord angesammelt hat.

Gegen 20.30 Uhr ist es dann soweit: Wir laufen in die Ankerbucht von Cedeira ein. Bei östlichem Wind von 6 Beaufort rollen wir die Genua ein und suchen uns einen Ankerplatz. Die Bucht ist sehr geschützt, einige Boote dümpeln hier schon. Sie kommen aus England, Belgien, Frankreich, Schweden, und jetzt kommt mit der Amazone ein deutsches hinzu. Der (neue) Anker fällt bei 3,30 Meter Wassertiefe und hält sofort.

Schnell ein Fertiggericht heiß gemacht (ihr glaubt gar nicht, wie lecker Ravioli sein können!) und mit dem Teller in der Hand im Cockpit den Sonnenuntergang genießen - die erste wirkliche Herausforderung auf dieser Reise haben wir gemeistert. Für den 320 Seemeilen langen Törn haben wir 58 Stunden gebraucht. Die Hälfte der Strecke konnten wir prima segeln, die andere Hälfte haben wir mit Großsegel und freundlicher Unterstützung unseres Volvos zurückgelegt. Der Volvo fragt sich wahrscheinlich schon, wer eigentlich die Idee zu dieser Reise hatte!

 

Da war die Welt noch in Ordnung: kurz nach dem Verlassen des Hafens von Camaret:

 

Sonnenuntergang des ersten Seetages:

 

Udo Jürgens hatte recht: Immer, immer wieder geht die Sonne auf:

 

Sonnenuntergang - der zweite Tag auf See geht zur Neige:

 

 

Sonnenaufgang - der dritte Tag auf See bricht an:

 

 

Es ist an der Zeit, die fünfte Gastlandflagge auf dieser Reise zu setzen:

 

Land in Sicht! Die Küste Spaniens:

 

Im Hintergrund die Einfahrt zur Ankerbucht Cedeira. Bis nach La Coruna wären es noch 27 Seemeilen. Wie biegen hier ab und segeln morgen weiter.

 

 

Hier fällt am Montag Abend der Anker:

 

 

Auch in dieser Ankerbucht geht irgendwann die Sonne unter: