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Sonnabend, 29.11.2014, 6. Tag auf See

Position um 12.00 Uhr: 18°44,3 ' N; 23°42,1 ' W
Etmal:  143 Seemeilen (135 Seemeilen liegen noch vor uns)

Theoretisch könnte ich schreiben "Keine besonderen Vorkommnisse. Und tschüß."
Praktisch hat sich aber doch das eine und andere ereignet, dass ich gerne aufschreiben möchte. Da wären zum Beispiel die Delfine, die in der letzten Nacht gesprochen haben. Das Delfine untereinander kommunizieren, ist kein Geheimnis. Es live zu erleben ist aber etwas ganz Besonderes. Ingo hat es zuerst gehört. Er hatte Freiwache und lag in der Koje. Plötzlich bemerkte er ein Piepen und vermutete gleich, dass es Delfine sind. Zu sehen waren sie bis dahin noch nicht. Kurze Zeit später tauchten sie dann prustend neben der Amazone auf. Sie waren so nah, dass ich nassgespritzt wurde. Das war wieder einer dieser besonderen Momente: Mit 7 Knoten Fahrt im Schiff bei Mondschein über den bewegten Atlantik heizen und Delfinen lauschen und zusehen!

Wir brauchen eigentlich gar nicht mehr angeln - die Fische fliegen uns jetzt zu! Zum Ende meiner Wache kurz nach Sonnenaufgang dachte ich so bei mir, dass wir allmählich in der Gegend sind, wo Fliegende Fische leben - und fliegen. Nachts landen sie manchmal versehentlich auf vorbeisegelnden Booten. Ich habe schon in vielen Büchern Fotos davon gesehen und dachte, kann ja nicht schaden, mal nachzusehen. Das war wohl weibliche Intuition - nie zuvor hatte ich diesen Gedanken und nie zuvor hat jemals ein armer, vertrockneter Fliegender Fisch bei uns an Deck gelegen. Ich guck einfach mal so bei der Spritzkappe um die Ecke - und tatsächlich! Ein kleines, zartes, vertrocknetes Fischlein mit ausgebreiteten Flügeln liegt dort. Ich finde noch zwei. Später zeige ich sie Ingo, dann bekommen sie eine Seebestattung. Diese armen, verirrten Fische sind für mich deshalb so besonders, weil sie so etwas wie einen Meilenstein auf dieser Reise bedeuten.

Apropos Fische - die Fliegenden Fische sind viel zu klein für die Pfanne, also wirft Ingo die Angel aus. Wir haben ja jetzt einen neuen Super-Köder. Richtig muss es allerdings heißen "hatten" einen Super-Köder. Es hat wieder ein unheimlich großer Fisch angebissen. Obwohl wir ja nach dem letzten "Köder-Verlust" die Ausrüstung verstärkt hatten, ist es wieder passiert. Sorry, großer Fisch. Wir hoffen, dass der Haken dich nicht allzu lange nervt.

Im Moment segeln wir um 4 Beaufort mit halbem Wind bei herrlichem Sonnenschein und in T-Shirt und kurzer Hose unserem Ziel entgegen, dass wir morgen erreichen. Zum Adventskaffee sind wir vielleicht schon in Mindelo auf Sao Vicente.
Es gibt heute doch etwas, an dem der Blick hängenbleibt: Fünf bis zehn Seemeilen hinter uns segelt die "Ti' Amaraa". Seit drei Tagen sehen wir ihr AIS-Signal auf dem Plotter, und heute haben wir zum ersten Mal ihr Segel am Horizont erblickt - jedenfalls sehen wir es, wenn die stetige Atlantikdünung uns gerade angehoben hat.
Die Wettervorhersage haben wir bekommen. Kein Starkwind und kein Regen in Sicht. An Bord ist alles wohlauf.