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Zwischenruf - Montag, 23.06.2014

Die Amazone meldet sich zu Wort:

Antje und Ingo schreiben an dieser Stelle ja ziemlich regelmäßig - und werden es wohl auch weiterhin tun - aber jetzt bin ich auch mal dran! Schließlich wären die beiden jetzt nicht hier, wenn es mich nicht gäbe!

Alles fing eigentlich ganz harmlos an. Im Herbst ging es mit den anderen Booten aus dem kalten Wasser in die trockene, gemütliche Halle. Von einem Winterschlaf träume ich aber schon lange nicht mehr - bin ich doch jedes Jahr an manchen Winterwochenenden die einzige in unserer Halle, an der gewerkelt wird. Na ja, ich werde nicht jünger, da müssen Schönheitsreparaturen schon sein, und auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben, hat ja auch etwas für sich.

Aber im letzten Herbst kam Antje dann mit diesem fremden Mann an Bord. Er hatte Papiere bei sich und eine Taschenlampe. Er hat viele Fragen gestellt, sich viele Notizen gemacht und sich durchaus positiv über meine solide Bauweise geäußert. Das hat mir geschmeichelt, und ich dachte gleich, der Mann kennt sich aus. Es war mir dann aber doch etwas peinlich, dass er in meine intimsten Winkel gekrochen und alles beleuchtet hat. Ich habe nichts zu verbergen, das möchte ich hier ganz klar sagen. Aber trotzdem, so mir nichts dir nichts in meine Privatsphäre einzudringen, passte mir nicht.

Jedenfalls machte Antje einen ganz gelassenen Eindruck, und nach ein paar Stunden, war das ganze überstanden. Ich hätte es vielleicht auch schon vergessen, aber im Nachhinein habe ich den Eindruck, dass das irgendwie der Beginn einer ganz besonderen Sache war!

Die Wintermonate gingen ins Land, das Frühjahr kam, und Ingo hat munter an mir herumgeschraubt, gebohrt und leider - das muss ich hier mal loswerden -  haben Antje und Ingo eine unendlich hässliche, große Gerätschaft an meinem schönen, kleinen Heck angebaut! Mag ja nützlich sein, aber begeistert bin ich nicht! Um so größer war die Begeisterung bei den beiden, als sie ihre Schandtat am Ende des Tages betrachteten.

Aber diese Gerätschaft war nur der Auftakt zu weiteren Gemeinheiten:  Die beiden haben doch tatsächlich die Frechheit besessen, an meinem kleinen Heck jeweils an Backbord und Steuerbord ein oberhässliches  Metallrohr anzudengeln. Tut mir leid, dass ich das hier so offen sage, aber so sehe ich es nun mal. Inzwischen weiß ich auch, wozu diese Rohre eigentlich gut sein sollen: an dem einen Rohr haben sie eine kleine Windmühle angebracht, sieht ganz lustig aus. Aber an dem anderen Rohr haben sie eine Art Kugel befestigt. Soll wohl so etwas wie eine Antenne sein, na ja. Neumodischer Kram, wenn ihr mich fragt.

Als ich dann im April  wieder im Wasser war, ging es mit den Merkwürdigkeiten weiter. Normalerweise putzt Antje mich fein heraus, und dann bringen sie die Polster, Betten, Lebensmittel und die eine oder andere Flasche Schnaps an Bord und los geht die Saison. Aber in diesem Frühjahr? Weit gefehlt! Endlos lange war bei mir im Salon alles heillos durcheinander. Nichts mit Polstern, nichts mit Betten, von Gardinen ganz zu schweigen. Ihr ahnt es vielleicht schon: Auch im Wasser hat Ingo fleißig weiter an mir gewerkelt, kilometerweise Kabel verlegt und weitere moderne Geräte eingebaut.

Aber dann kam endlich mal etwas an Bord, das ich richtig klasse finde - ein neues Großsegel! Unter uns gesagt, das wurde auch Zeit! Das vorherige Segel war zwar auch noch nicht alt, aber was für ein Lappen! 

Dann kamen noch sehr, sehr viele Dinge an Bord, zum Beispiel ein neuer Anker! Sieht gut aus, wie er da so am Bug hervorguckt. Zwar nicht so blank, wie sein Vorgänger, dieser Angeber aus Edelstahl, aber er soll mich noch besser am Grund halten. Mal sehen, ob er hält, was er verspricht!

Wie dem auch sei, an einem sonnigen Freitag im Juni kamen Antje und Ingo dann mit vielen Taschen an Bord, nachdem sie tags zuvor schon den halben Supermarkt leer gekauft haben mussten, so viele Lebensmittel, wie sie dann bei mir verstaut haben. Aha, dachte ich so bei mir, jetzt geht's ab in den Urlaub! Vier Wochen unterwegs, das wird herrlich!

Aber nein - etwas war wieder anders als sonst. Plötzlich kamen viele bekannte und auch wildfremde Menschen zu uns an Bord, guckten hier, staunten dort, stellten Fragen über Fragen, und es wurde viel gelacht und gescherzt. Was soll's, dachte ich, Besuch ist ja auch ganz nett. Beim Ablegen aus der Box haben sie dann alle gewunken. War das ein Gedränge auf dem Steg! Doch dann kam der Hammer: Beim Auslaufen aus Bremerhaven standen ziemlich viele Leute auf der Mole, winkten uns zu, tuteten, und es wurde sogar ein Lied für uns gespielt! Ingo hat mich extra eine Ehrenrunde drehen lassen. Das war eine Stimmung, sage ich euch. Wenn ich es gekonnt hätte, hätte ich eine Gänsehaut bekommen.

Und dann vor ein paar Tagen bin ich sogar in Leeuwarden in Holland bei der Fahrt durch eine der vielen Brücken fotografiert worden! Das kommt auch nicht so oft vor, dass am Ufer ein bekanntes Gesicht in einer wartenden Gruppe auftaucht, der Mensch uns fröhlich winkt, eine gute Reise wünscht und tolle Bilder von uns macht. Seht selbst:

Nun gut, das letzte Puzzleteil ist heute gefallen: Wir sind jetzt schon über zwei Wochen unterwegs, und vom Rückweg ist überhaupt noch keine Rede. Das ist doch sehr untypisch. Außerdem waren wir drei noch nie soweit südlich.

Ich sage Euch - da ist etwas ganz Großes im Gange! Und ich bin mittendrin und nicht nur dabei! Ihr könnt euch sicher sein, das war nicht mein letzter Zwischenruf.