Drucken

Mittwoch, 15.07.2015

Wind, Wetter und Tide bestimmen, wann und wohin wir segeln. Und so ging es heute auch schon gleich weiter. Die Bedingungen waren günstig, um den Ärmelkanal zu überqueren und nach Frankreich zu fahren. Es stand also ein anspruchsvoller Törn auf dem Programm. Denn mit einem kleinen Segelboot den vielbefahrenen Ärmelkanal zu queren ist in etwa so, als ob ein Fußgänger eine mehrspurige Autobahn überquert. Wobei das kleine Segelboot im Gegensatz zum Fußgänger nichts Verbotenes unternimmt, aber natürlich die Vorschriften einzuhalten hat. Die besagen zum Beispiel, dass die in den Seekarten verzeichneten Fahrwasser im rechten Winkel zu passieren sind. AIS und Radar erleichtern eine Querung enorm, trotzdem ist volle Aufmerksamkeit und Konzentration gefordert.

Bei westlichem Wind von vier bis fünf Beaufort verließen wir um 9.30 Uhr Dover, nicht ohne zuvor Dover Port Control um die Erlaubnis zur Ausfahrt gebeten zu haben. Wir kamen mit Großsegel und Genua gut voran, die Amazone marschierte mit sechs bis sieben Knoten durch die kaum bewegte See. Es war wie erwartet einiger Schiffsverkehr, mit dem wir aber gut klar gekommen sind. Ein freundliches Besatzungsmitglied eines Frachters hat uns sogar angefunkt und uns erklärt, dass er seinen Kurs ändern will und auf welcher Seite er uns passieren wird.

War es schon regnerisch und diesig, so zog im Laufe des Vormittags auch noch Nebel auf. Aus allen Richtungen dröhnten die Nebelhörner der verschiedenen Fähren, Tanker und Frachter. Dank der AIS-Signale auf dem Plotterdisplay konnten wir sie aber alle richtig zuordnen. Trotzdem fand ich es unheimlich, als sich die Umrisse des Containerriesen vor unserem Bug aus dem undurchdringlichen Nebel schälten. Fast genauso schnell, wie der Nebel aufgezogen war, verschwand er etwa eine Stunde später wieder und es klarte auf.

Bobby Schenk, der "Blauwasser Papst", schreibt in seinem dicken Buch "Blauwassersegeln": "Der Englische Kanal ist ein schwieriges Gewässer, allein die graue Farbe des Wassers wirkt schon deprimierend. Ansonsten muss man sich mit Nebel, Großschifffahrt, schlechtem Wetter und Gezeiten herumplagen. Mit Recht können die Segler, die in diesem Gebiet segeln, sagen: "Wer hier segelt, braucht andere Gewässer auf der Welt nicht zu fürchten!""

Gegen Mittag hatten wir es geschafft, den Kanal gequert und segelten nun parallel zur französischen Küste. Kurz nach 16 Uhr erreichten wir nach 43 Seemeilen die Marina Gran Large in Dünkirchen. Dünkirchen? Da waren wir doch schon einmal im letzten Jahr! Ganz genau - wir haben also heute unseren Kurs gekreuzt und damit die Atlantikrunde abgeschlossen! Fast 11.000 Seemeilen haben wir zurückgelegt, zweimal den Atlantik überquert, 21 Gastlandflaggen gesetzt und 358 Postkarten geschrieben.

 

So stellt sich das Verkehrsgeschehen auf unserem Plotterdisplay dar. Die Dreiecke sind die Schiffe mit der Vorauslinie, die anzeigt, wo sie sich in zehn Minuten befinden werden, sofern sie Kurs und Geschwindigkeit beibehalten:

 

Und so sieht es dann in natura aus, wenn der dicke Pott aus dem Nebel auftaucht:

 

Flaggenparade im Bikini war einmal. Jetzt ist warme Regenbekleidung angesagt:

 

Auch Palmen, weißer Strand und türkisblaues Wasser sind Geschichte. Heute bot sich bei der Ankunft auf europäischem Festland dieses Bild: