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Montag, 30.06.2014/Dienstag, 01.07.2014

Nachdem wir am Montag in Boulogne-Sur-Mer um 15.00 Uhr abgelegt hatten, konnten wir ca. eine Stunde später den Gennaker setzen. Das war allerdings nur ein kurzes Vergnügen, denn leider ließ der Wind immer mehr nach. Also Maschine starten und Gennaker wieder einrollen. Ab 18.00 Uhr setzte dann auch der Strom ein, und wir kamen gut voran. Kurz nach 20.00 Uhr haben wir dann über das Satellitentelefon die Email mit der aktuellen Wind- und Wettervorhersage empfangen. Es wurden weiterhin Winde der Stärke 3 - 4, später 4, aus Nord, Nordost und später Ost vorhergesagt.

Allmählich wurde es dann Zeit, die Amazone für die Nachtfahrt vorzubereiten. Dazu gehört z. B., die Lampen im Boot auf Rotlicht umzustellen. Damit hat es folgende Bewandtnis: Um trotz Dunkelheit gut sehen zu können, sollten die Augen zwischendurch möglichst keinem hellen, weißen Licht ausgesetzt sein. Es bräuchte sonst ca. eine halbe Stunde, bis sich die Augen wieder ganz an die Dunkelheit gewöhnt haben. Rotlicht verhindert diesen Effekt. Der Salon und das Bad mutieren bei Nachtfahrten also zum Rotlichtviertel.

Zur weiteren Vorbereitung gehört für uns auch, eine wasserdichte Tasche zu packen, bzw. weitere Gegenstände hineinzulegen. Diese Tasche würden wir im Seenotfall mit in die Rettungsinsel nehmen. Sie ist immer parat, wird aber vor Nachtfahrten weiter bestückt und enthält:  Proviant,  Wasser, Taschenlampe, Ersatzbatterien, GPS-Handplotter, Wolldecke, Handfunkgerät, Seenotsignale und das Satellitentelefon kommt auch mit hinein.

Ungeschriebenes Gesetz ist es bei uns an Bord, auf See niemals ungesichert das Cockpit zu verlassen. Wir sichern uns mit Lifelines. An verschiedenen Punkten am Boot können wir uns mit Karabinerhaken einklinken und sind so immer mit dem Boot verbunden. Für den Fall, dass es so unglücklich kommt, dass wir diese Verbindung kappen müssen, hat jeder ein spezielles Gurt-Messer in seiner Rettungsweste dabei. Die Rettungswesten tragen wir auf See ständig (außer in der Koje...) Sie sind mit einem Lämpchen, einer Signalpfeife und einem AIS-Sender ausgestattet.

Zur Vorbereitung gehört auch, dass ich mehrere Kannen Kaffee und Tee koche.

Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, dass Ingo die sogenannte Hundewache von 0.00 bis 4.00 Uhr übernimmt. Vorher legt er sich gegen 22 Uhr in die Koje, und ich übernehme die zwei Stunden, bis seine Wache beginnt. Von 4.00 bis 8.00 Uhr habe ich dann Wache, anschließend übernimmt Ingo wieder, und ich kann mich nochmal hinlegen. Gegen 10.00 Uhr bereite ich das Frühstück zu.

Bei ruhigem Wetter halten wir es dann tagsüber flexibel. Jeder kann sich zwischendurch mal ausruhen. Und gegen Abend werden wir dann heute in Cherbourg sein.

Wenn demnächst nicht nur eine, sondern mehrere Nachtfahrten hintereinander anstehen, müssen wir ausprobieren, ob es mit der Flexibilität weiterhin klappt oder ob wir auch tagsüber ein festes Wachsystem brauchen.

Die gestrige Nacht verlief sehr ruhig. Einen kurzen Schreck erlebte Ingo allerdings, als er kurz nach Mitternacht die Wache übernahm. Auf unserem Plotter hatte ich schon längere Zeit das AIS-Signal eines Fischkutters, der ca. 4 Seemeilen an Steuerbord voraus unterwegs war, verfolgt. Er fuhr in dieselbe Richtung wie wir, bis er dann seinen Kurs änderte und unseren Kurs kreuzte. Macht ja nichts, er war ja weit weg. Wie Ingo alsbald feststellen sollte, hatte die Kursänderung des Kutters allerdings einen Haken: Der Fischer hatte bei 55 Meter Wassertiefe Netze oder etwas ähnliches ausgebracht und mit Bojen markiert. Und durch dieses Minenfeld brauste die Amazone nun ahnungslos mit 7 Knoten über Grund Geschwindigkeit. Hoppla, plötzlich taucht in der Dunkelheit knapp neben unserem Boot eine orangefarbene Boje auf. In so tiefem Wasser haben wir bisher noch nie Fischerbojen gesehen. In Küstennähe rechnen wir mit so etwas und halten permanent Ausschau. Nochmal gutgegangen, hätte aber auch schiefgehen können, wenn wir die Leine der Boje in den Propeller bekommen hätten.

Die Nordsee hat sich sehr freundlich von uns verabschiedet, und der Englische Kanal hat uns ebenso freundlich empfangen. Man, was hatten wir bisher für ein Glück mit dem Wetter! Das wird unser Volvo allerdings ganz anders sehen - muss er doch in letzter Zeit ziemlich ackern! Leider war es dann auch nichts mit den vorhergesagten 4 Windstärken, und der Motor lief und lief. Nach 18 Stunden kamen dann die 4 Windstärken, und wir konnten  den Diesel heute gegen 11.30 Uhr abstellen, mit der Genua segeln und die Windfahnensteueranlage arbeiten lassen. Diese Ruhe im Boot - herrlich! Diese Phase währte allerdings nicht sehr lange. Der Wind ließ wieder nach, und der Motor musste wieder gestartet werden.

Übrigens haben wir heute 0 Grad Greenwich passiert und befinden uns jetzt in der westlichen "Seekartenwelt".

Kurz nach 17.00 Uhr hatten wir dann den Hafen von Cherbourg erreicht. Wir waren 26 Stunden unterwegs und haben knapp 150 Seemeilen zurückgelegt. Davon die meisten Meilen mit freundlicher Unterstützung unseres Motors.

Die Kojen sind für die Nacht vorbereitet. (In dieser Nacht wird abwechselnd geschlafen.)

 Die aufgefüllte Notfalltasche und das Rotlicht am Kartentisch:

Kurz nach 22 Uhr geht dann die Sonne unter:

... um es mit Udo Jürgens zu sagen: Immer immer wieder geht die Sonne auf!

Wir rauschen in die Hafeneinfahrt von Cherbourg:

- und die Fähre rauscht noch schneller, aber hinaus ...